Kleinkinder sollten nicht auf Schoß der Eltern rutschen

Rutschen ist für Kinder meist ein Riesenspaß. Doch manchmal endet er
mit Tränen - oder sogar mit einem Bruch. Nicht selten sind daran
indirekt die Eltern schuld.

Chicago/Berlin (dpa) - Viele schwere Verletzungen auf Spielplätzen
könnten Eltern nach Ansicht von Experten vermeiden. So steigt das
Risiko eines Beinbruchs, wenn Kleinkinder auf dem Schoß eines
Erwachsenen rutschen statt alleine. Das geht aus US-Daten hervor, die
Forscher am Montag (18.9.) auf einer Konferenz der Amerikanischen
Akademie für Kinderheilkunde in Chicago vorstellen wollen.

Sie hatten sich knapp 12 700 dokumentierte Rutsch-Unfälle in
den USA genauer angeschaut. «Die häufigsten Verletzungen durch
Rutschunfälle bei Kleinkindern sind Brüche der unteren Extremitäten
.
Die Hauptursache dafür ist, auf dem Schoß einer anderen Person zu
rutschen», schreiben die Forscher um Charles Jennissen von der
Universität von Iowa.

Diese Art von Brüchen - speziell des Schienbeins - entstehen demnach,
wenn Kinder mit ihrem Bein an einer Stelle der Rutsche hängebleiben,
der Schwung des Erwachsenen sie aber weiterschiebt. Rutscht ein Kind
alleine, seien die auf die Beine wirkenden Kräfte geringer.

Zudem warnen Experten wie Inke Ruhe, Geschäftsführerin der
Bundesarbeitsgemeinschaft «Mehr Sicherheit für Kinder», davor, auf
dem Spielplatz aufs Smartphone zu schauen. Sie verweist auf eine
Untersuchung aus Österreich aus dem Jahr 2016. 

Demnach hat sich zwischen 2008 und 2015 die Zahl der Unfälle auf
Spielplätzen von Kindern unter fünf Jahren mehr als verdreifacht.
«Dieser Anstieg könnte auf den Faktor "Ablenkung« durch die
zunehmende Smartphone-Nutzung zurückzuführen sein», heißt es in der

Untersuchung. Für Deutschland gibt es laut Ruhe keine allgemeinen
Daten über Spielplatz-Unfälle.

Die US-Mediziner warnen Erwachsene davor, mit Kindern auf dem Schoß
zu rutschen. Sollten sie es doch tun, sei «extreme Vorsicht» nötig.
Jennissen beschreibt Reaktionen auf seine Ergebnisse so: «Die Eltern
haben keine Vorstellung davon, dass sie durch ihr Verhalten solche
schweren Verletzungen verursachen können. Sie sagen oft, dass sie es
niemals getan hätten, wenn sie vorher von dem Risiko gewusst hätten.»


Barbara Ludwikowski, Chefärztin der Chirurgie des Kinderkrankenhauses
auf der Bult in Hannover, beobachtet ähnliche Fälle wie die
amerikanischen Forscher: «Bei unseren eigenen Patienten sehen wir
zunehmend Unterschenkelbrüche von Kleinkindern, die mit
Begleitpersonen rutschen.» Eine Studie zur Zahl solcher Unfälle in
Deutschland gebe es nicht.

Unterschenkelbrüche nahe dem Sprunggelenk sind besonders anfällig für

Probleme während und nach der Heilung. «Bei komplizierten Brüchen im

Kindesalter sind die Langzeitfolgen vor allem Wachstumsstörungen»,
erklärt Peter Schmittenbecher, Präsident der Deutschen Gesellschaft
für Kinderchirurgie. Bricht sich ein Kind einen Knochen, wachse
dieser rund um die Bruchstelle schneller. Dadurch könne dieser
Knochen länger werden. Denkbar sei auch, dass Knochen schief
zusammenwachsen. Schmittenbecher sagt aber auch: «Komplizierte Brüche
kommen aber bei Spielplätzen nicht so häufig vor.»

Das Team um Jennissen stellte bei der Auswertung der US-Daten fest,
dass die häufigste Diagnose bei Rutschunfällen mit 36 Prozent
Knochenbrüche waren. Bei knapp jedem fünften Fall handelte es sich um
Platzwunden. Ein- bis Zweijährige verletzten sich demnach beim
Rutschen besonders häufig.

Inke Ruhe von der Bundesarbeitsgemeinschaft ist neidisch auf die
Fülle an Daten, die den amerikanischen Forschern zur Verfügung stand.
In Deutschland würden solche Daten durch Krankenkassen nur dann
erhoben, wenn der Unfall in der Schule oder im Kindergarten passiert.

Auch Ruhe rät davon ab, zusammen mit Kindern zu rutschen. «Die Kinder
sollen den Spielplatz frei erobern können.» Wenn man als
Begleitperson Angst hat, das Kind könnte sich beim Rutschen
verletzen, solle man es einfach auf den Bauch legen und mit den Füßen
zuerst hinunterrutschen lassen. So landet es sicher auf den Füßen,
oder zumindest mit dem Hintern zuerst auf dem Boden.