Von großen Ohren und verschüttetem Kaffee: Ig-Nobelpreise verliehen Von Christina Horsten, dpa

Papierflieger, bizarre Kurz-Opern und viel Klamauk, alles im Namen
der Wissenschaft: Die schrillen Ig-Nobelpreise sind längst Kult. Zum
27. Mal wurde jetzt kuriose Forschung an der Elite-Uni Harvard mit
den Spaßpreisen geehrt - über Didgeridoos, Krokodile und Ekel-Käse.

Boston (dpa) - Kaffee verschütten nervt. «Wir alle tun es und wir
alle hassen es», sagt Jiwon Han auf der Bühne des Sanders-Theaters
der US-Eliteuniversität Harvard in Boston. «In meiner Schulzeit hatte
ich zuviel Zeit und habe ein Physik-Forschungspapier darüber
geschrieben.» Das Ergebnis - und das Geheimnis nicht verschütteten
Kaffees: Den Becher von oben festhalten, geradeaus schauen und
rückwärts laufen. «Aber ist das praktisch? Überhaupt nicht! Also is
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der Deckel erfunden worden. Aber ich habe verstanden: Bei Forschung
geht es nicht darum, wie alt man ist oder wie klug - sondern darum
wie viel Kaffee man trinkt. Und mit ausreichend Kaffee und etwas Pech
landet man dann in Boston.»

Dort nahm Jiwon Han in der Nacht zum Freitag seinen Ig-Nobelpreis für
sein Forschungspapier über verschütteten Kaffee entgegen - einen von
zehn Spaßpreisen für wissenschaftliche Veröffentlichungen, die «ers
t
zum Lachen und dann zum Denken anregen». Die Ig-Nobelpreise
(«ignoble» heißt auf Deutsch «unwürdig») wurden bereits zum 27.
Mal
an seriöse, wenn auch kuriose Forschungen verliehen - und sind längst
Kult. Die undotierten Auszeichnungen sollen «das Ungewöhnliche feiern
und das Fantasievolle ehren».

Die klamaukig-schrille Preisgala mit mehr als 1000 Zuschauern ist
stets lange im Voraus ausverkauft. Zwischendurch fliegen bei der so
ganz anderen anderthalbstündigen Preisverleihung, zu der auch echte
Nobelpreisträger anreisen, Papierflieger durch die Luft, es gibt
Sketche und bizarre Kurz-Opern. Die Trophäe war in diesem Jahr der
Plastikkopf einer Schaufensterpuppe mit einem darauf gesteckten
Fragezeichen. Die Gewinner stammen aus fünf Kontinenten, Deutsche
waren diesmal allerdings, anders als in den vergangenen Jahren
häufiger, nicht dabei.

Forscher aus der Schweiz, Kanada, den USA und den Niederlanden
erhielten einen Preis in der Kategorie Frieden. Sie hatten entdeckt,
dass das regelmäßige Spielen eines Didgeridoos bei der Behandlung von
Schlafbeschwerden und Schnarchen helfen kann. Die Gewinner kamen
Didgeridoo-spielend auf die Bühne, um sich für die «große Ehre»
 zu
bedanken. Forscher Alex Suarez hatte die lindernde Wirkung des
Spielens des australischen Instruments bei sich selbst festgestellt.
Eine spezielle Atemtechnik sei der Grund. In einer Studie stellten
die Forscher fest, dass diese auch anderen Menschen gegen Schnarchen
und Schlafprobleme half.

Wissenschaftler aus Australien und den USA erhielten einen Preis für
ihre Untersuchung der Frage, wie sich der Kontakt mit lebenden
Krokodilen auf den Wunsch von Menschen nach Glücksspielen auswirkt.
Forscher aus Frankreich, Singapur und den USA analysierten, ob Katzen
sich gleichzeitig im festen und im flüssigen Zustand befinden können
- und wurden dafür ausgezeichnet. Wissenschaftler aus Japan,
Brasilien und der Schweiz wurden für die Entdeckung eines weiblichen
Penis und einer männlichen Vagina bei einem Höhlen-Insekt geehrt. Zum
Dank schickten sie ein Video von sich in einer Höhle. «Wir können
leider nicht bei der Preisverleihung sein, denn wir müssen ja weiter
Höhlen erforschen.»

Forscher aus Brasilien, Kanada und Spanien wiesen erstmals
menschliches Blut in der Ernährung der Fledermausart Kammzahnvampir
nach - und bekamen dafür einen Ig-Nobelpreis. Auch sie bedankten sich
per Video, mit Plastik-Vampirzähnen im Mund. Wissenschaftler aus
Frankreich und den USA erhielten die Auszeichnung für ihre mithilfe
von Gehirn-Scan-Technologien durchgeführten Untersuchungen der Frage,
in welchem Ausmaß manche Menschen sich vor Käse ekeln.

Dass viele identische Zwillinge sich selbst visuell nicht voneinander
unterscheiden können, wiesen Forscher aus Italien, Spanien und
Großbritannien nach und bekamen dafür einen Preis. Wissenschaftler
aus Spanien zeigten, dass Babys eher auf Musik reagieren, wenn diese
elektromechanisch in der Vagina der Mutter gespielt wird, als wenn
sie auf dem Bauch der Mutter gespielt wird.

«Haben sie je in einem Bus gesessen und bemerkt, dass der alte Mann,
der ihnen gegenüber sitzt, sehr große Ohren hat?», fragte der
britische Wissenschaftler James Heathcote das Publikum. Er hatte das
bemerkt - und maß bei 206 Patienten nach. «Und es stimmt. Die Ohren
wachsen rund zwei Millimeter pro Jahrzehnt. Macht mit dieser
Information, was ihr wollt.»

Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen
Zeitschrift zu kurioser Forschung, beendete die Gala schließlich mit
seinen traditionellen Abschlussworten: «Wenn Sie dieses Jahr keinen
Ig-Nobelpreis gewonnen haben - und besonders dann, wenn Sie einen
gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!»