Spielerisch Erinnerungen wecken: Digitale Helfer für Demenzkranke Von Christoph Zeiher, dpa

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter Demenz. Mithilfe
digitaler Brillen wollen Ärzte in Krefeld nun die Erinnerungen der
Patienten wecken - und so den Krankheitsverlauf verlangsamen.

Krefeld (dpa) - Plötzlich sind die Erinnerungen zurück. Die Häuse
r,
die Geschäfte, die Autos - alles ist wie damals in den 50er und 60er
Jahren. An einem Krefelder Klinikum können Demenzpatienten erstmals
virtuell in ihre eigene Vergangenheit reisen. Software-Entwickler
haben hierfür eigens eine 360-Grad-Version einer historischen
Straßenszene rekonstruiert. Die Patienten können sich darin mithilfe
einer Virtual-Reality-Brille umsehen und sich sogar in der vertrauten
Umgebung bewegen.

Die Idee zu dem Projekt kam den Entwicklern, als der Vater einer der
Firmengründerinnen an Demenz erkrankte: «Dadurch hatten wir eine
persönliche Motivation», erzählt Lukas Kuhlendahl, von der
Software-Agentur Weltenweber. «Durch die Beschäftigung mit aktuellen
Therapiemethoden wie der Erinnerungstherapie und der Tatsache, dass
der Vater sich immer noch bestens in Krefeld auskennt, sind wir auf
die Idee gekommen.»

Tatsächlich sei diese Methode im Rahmen sogenannter Biografie-Arbeit
durchaus sinnvoll, bestätigt auch Susanna Saxl von der Deutschen
Alzheimer Gesellschaft. «Dabei wird versucht, positive Erinnerungen
und Lebensfreude zu wecken. Das kann den Krankheitsverlauf
verlangsamen», so Saxl. Der Einsatz dieser Technik sei allerdings
eher im frühen Stadium der Krankheit sinnvoll.

Zwar gebe es auch die Gefahr, dass die Patienten durch den schnellen
Wechsel zwischen Realität und Fiktion verwirrt würden. Man habe
jedoch mit Computerspielen - beispielsweise mit virtuellem Kegeln an
der Spielkonsole - bereits gute Erfahrungen gemacht, so Saxl.

«Ich finde es besonders toll, dass auch Menschen, die wahrscheinlich
noch nie ein Videospiel gespielt haben, von einer für uns Gamer schon
fast alltäglichen Technologie wie Virtual Reality profitieren
können», sagt Svenja Bhatty, Vorstandsvorsitzende des Vereins Gaming
Aid e.V. Die gemeinnützige Vereinigung von Spielern und
Produktherstellern hat das Projekt mit dem Titel «Krefeld im
Wirtschaftswunder» gemeinsam mit den Ärzten des Krankenhauses und
einem Entwickler-Team ins Leben gerufen. 

Die Technik wird von den Patienten bislang gut angenommen, freut sich
Chefarzt Friedhelm Caspers vom Krefelder Klinikum. «Das ist ganz toll
für die alten Menschen», sagt er. «Man schafft tatsächlich eine
Brücke in die Gegenwart. Und man kommt anschließend darüber ins
Gespräch.»

Die Kommunikation ist auch ein wichtiger Teil der Therapie. Denn mit
dem bloßen Anschauen der virtuellen Umgebung sei es nicht getan,
erklärt Saxl. «Erinnerung nur für sich alleine hilft wenig.» Das
Wichtigste sei der anschließende Austausch mit anderen Menschen.

Nach Angaben der Alzheimer-Gesellschaft ist die Zahl der
Demenz-Kranken in Deutschland in den vergangen Jahren kontinuierlich
gestiegen. So seien 2004 geschätzt etwa eine Millionen Menschen von
der Krankheit betroffen gewesen, aktuell seien es etwa 1,6
Millionen. Für das Jahr 2050 prognostizieren die Experten gar eine
Verdopplung auf rund drei Millionen Patienten.

Trotz dieser drastischen Entwicklung ist eine Heilung der
Demenzerkrankung noch nicht in Sicht. «Bei den Medikamenten sind wir
im Grunde seit zehn Jahren nicht weiter gekommen», beklagt Saxl. Eine
Zeit lang schaffen es die alten Erinnerung zwar, das Vergessen zu
verdrängen und alte Erinnerungen wieder zu wecken. Aufhalten können
sie die Demenz allerdings noch nicht.