AOK: Psychische Erkrankungen nehmen zu - Herausforderung für Unternehmen Von Ruppert Mayr, dpa

Eine schwere Krankheit oder der Tod des Partners: Eine Lebenskrise
kann schwerwiegende Folgen haben - auch für den Job. Und die Krisen
nehmen mit dem Alter zu. Unternehmen sollten sich darauf einstellen.

Berlin (dpa) - Die Zahl der Arbeitsausfälle wegen psychischer
Probleme ist in den vergangenen zehn Jahren überproportional stark
gestiegen. Unternehmen sollten daher ihr Gesundheitsmanagement für
Mitarbeiter in Lebenskrisen weiter verbessern, rät der
AOK-Bundesverband. Denn «aufgrund des demografischen Wandels werden
sie künftig verstärkt mit älter werdenden Belegschaften und den damit

verbundenen häufigeren Krisen der Mitarbeiter konfrontiert werden».
Das erklärte der stellvertretende Geschäftsführer des
Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), Helmut Schröder, am
Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung des Fehlzeiten-Reports 2017.

Kritische Lebensereignisse können die Gesundheit belasten und damit
die Arbeit beeinflussen. So berichten laut Report 58,7 Prozent von
körperlichen und 79 Prozent von psychischen Problemen durch
Lebenskrisen. In der Folge fühlten sich mehr als die Hälfte (53,4
Prozent) der Befragten in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt.
Knapp die Hälfte (48,8 Prozent) ging demnach trotzdem zur Arbeit.
Mehr als ein Drittel (37,3 Prozent) fühlte sich aufgrund eines
solchen Ereignisses unzufrieden mit der Arbeit oder meldete sich
häufiger krank (34,1 Prozent).

Laut der Befragung des WIdO führen am häufigsten Konflikte im
privaten Umfeld (16 Prozent), eine schwere Erkrankung von Angehörigen
(zwölf Prozent) und finanzielle Probleme (elf Prozent) zu Krisen. Mit
zunehmendem Alter steige der Anteil der Betroffenen: Etwas mehr als
ein Drittel (37,6 Prozent) der Beschäftigten unter 30 Jahren
berichtet demnach über kritische Lebensereignisse, bei den 50- bis
65-Jährigen sind dies schon fast zwei Drittel (64,7 Prozent).

Allerdings gibt es durchaus Angebote der Unternehmen für ihre
Mitarbeiter in persönlichen Krisensituationen. Gut jeder zweite
Befragte (52,4 Prozent) nennt hier «klärende Gespräche mit dem
Vorgesetzten». Jeder Dritte (33,9 Prozent) führt «flexible
Arbeitszeiten» an und nahezu jeder Vierte (22,2 Prozent)
Sonderfreistellungen wie «unbezahlten Urlaub».

So bietet die Deutsche Bahn ihren Mitarbeitern professionelle,
anonyme Hilfen in Krisensituationen an. Sie konzipierte etwa ein
umfassendes Betreuungsprogramm insbesondere für Lokführer, die in
Personenunfälle - häufig Selbsttötungen - verwickelt sind.

Etwa ein Drittel aller Erwerbstätigen arbeitet in Unternehmen mit
weniger als 50 Beschäftigten, die sich in aller Regel solche
Gesundheitsprogramme gar nicht leisten können. Allerdings gebe es
auch hier Möglichkeiten zur betrieblichen Prävention, sagte der Chef
des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch.

So gebe es ein Projekt der AOK Rheinland/Hamburg, bei dem Unternehmen
Betriebspartnerschaften bilden könnten, unabhängig von Branche oder
Größe. Unter Anleitung der AOK führten sie ihr betriebliches
Gesundheitsmanagement gemeinsam durch, in dem sie etwa Dienste
einkaufen, an die sich Mitarbeiter in Krisensituationen wenden
können.

Angesichts des Fachkräftemangels sei es wichtig, gesunde und
leistungsfähige Mitarbeiter an sich zu binden. Kritische
Lebensereignisse bei Beschäftigten könnten dabei eine Art
«Stresstest» für die Stabilität der Beziehung zwischen Unternehmen

und Mitarbeiter sein, argumentierte Schröder.

Eine besondere Herausforderung für die Gesundheitsprävention in
Unternehmen sind in der Tat Arbeitsausfälle durch psychische
Erkrankungen. Sie stiegen laut Report in den vergangenen zehn Jahren
um 79,3 Prozent. Mit 25,7 Tagen je Fall lagen die Ausfallzeiten 2016
an der Spitze aller Erkrankungen und dauerten mehr als doppelt so
lange wie der Durchschnitt mit 11,7 Tagen je Fall.

Der Krankenstand der AOK-Versicherten blieb im vergangenen Jahr mit
5,3 Prozent auf demselben Niveau wie im Vorjahr. Damit hat jeder
Beschäftigte im Durchschnitt 19,4 Tage aufgrund einer ärztlichen
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Betrieb gefehlt. Fehltage ohne
ärztliche Bescheinigung sind nicht eingerechnet.