Experten: Auch wer auf dem Balkon raucht, gefährdet seine Kinder Von Matthias Brunnert, dpa

Dass Passiv-Rauchen Kindern schadet, ist inzwischen Allgemeinwissen.
Selbst, wenn Eltern nur auf dem Balkon oder vor der Haustür rauchen,
können sie nach Ansicht von Fachleuten die Gesundheit ihres
Nachwuchses gefährden.

Göttingen (dpa) - Kinder von Rauchern leiden nach Einschätzung von
Experten selbst dann häufiger unter Bronchitis oder Asthma, wenn die
Eltern nicht in der Wohnung zur Zigarette greifen. «Wer auf dem
Balkon oder vor der Haustür raucht, schleppt anschließend in seinen
Haaren und in der Kleidung Rauch in die Wohnung», erklärt die
Lungenspezialistin Christiane Lex von der Universitätsmedizin
Göttingen (UMG). «Und wenn Kinder damit in Kontakt kommen, kann dies
krank machen.»

Lex, die an der UMG den Schwerpunkt Kinder-Lungenheilkunde leitet,
organisiert in diesem Jahr die Zentralveranstaltung des 20. Deutschen
Lungentages. Dabei steht am 16. September in Göttingen das Thema
Prävention im Mittelpunkt. Der Lungentag wird von wissenschaftlichen
Gesellschaften der Lungenheilkunde und Patientenorganisationen
getragen.

Den meisten rauchenden Eltern sei inzwischen bewusst, dass der Qualm
für ihre Kinder gefährlich ist, sagt Lex. «In Wohnungen wird deshalb

auch immer weniger geraucht.» In den Sprechstunden der Kinderärzte
berichteten viele Eltern, dass sie «nur» auf dem Balkon oder vor der
Tür rauchen. «Sie denken, dass damit keine Gefahr mehr für ihre
Kinder besteht.» Das sei allerdings falsch. «Auch wenn Eltern nur
draußen rauchen, haben deren Kinder deutlich häufiger Asthma oder
Bronchitis als Kinder von Nichtrauchern.»

Es gebe zwar keine Studien dazu, wie groß die Gefahr für Kinder ist,
die von «Draußen-Rauchern» ausgeht, sagt der Pneumologe Tobias
Raupach von der Göttinger Universitätsmedizin. Zigarettenrauch
enthalte aber eine so hohe Konzentration an Feinstaubpartikeln, «dass
auch die Exposition gegenüber geringen Mengen schon Auswirkungen auf
den Organismus haben kann».

«Wer draußen raucht, schleppt Nikotin und krebserzeugende Substanzen,
lungengängige Partikel und weitere giftige Stoffe mit in die
Wohnung», erklärt Katrin Schaller vom Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Tabakrauch enthält mehr
als 4000 Chemikalien, von denen mindestens 200 für Menschen schädlich
sind.

Nach Angaben des DKFZ gelangen nicht nur aus den Haaren und der
Kleidung, sondern auch von den Händen Bestandteile des Tabakrauchs in
die Raumluft. Raucher atmeten zudem noch bis zu 90 Sekunden nach dem
letzten Zug Rauchpartikel aus. All dies führe dazu, dass Rückstände
von Tabakrauch auch in Wohnungen zu finden sind, in denen nie
geraucht wurde.

Auch die Pädiaterin Gesine Hansen von der Medizinischen Hochschule
Hannover (MHH) erklärt: «Rauchen ist ein großer Risikofaktor für
Lungenerkrankungen bei Kindern, auch in Raucherhaushalten, in denen
nur im Freien geraucht wird.» In den Wohnungen solcher Haushalte gebe
es zum Beispiel erhöhte Nikotin-Werte im Hausstaub, sagt die
Ärztliche Direktorin des MHH-Zentrums für Kinderheilkunde und
Jugendmedizin.

Betroffen vom eingeschleppten Rauch seien in erster Linie Babys und
Kleinkinder, sagt Krebsforscherin Schaller. «Man nimmt sie ja auf den
Arm.» Gefahr bestehe auch, weil kleine Kinder alles in den Mund
nehmen und ablutschen.

Über die langfristigen Auswirkungen dieser Schadstoffaufnahme ist
nach Schallers Worten zwar noch relativ wenig bekannt. Grundsätzlich
reagieren Kinder nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung aber besonders empfindlich auf die im Tabakrauch
enthaltenen Giftstoffe, weil sich ihre Organe noch in der Entwicklung
befinden. Die Lunge zum Beispiel könne schnell erheblich geschädigt
werden.

Schaller rät deshalb: «Wenn man draußen raucht, dann am besten mit
Jacke und Mütze, die man hinterher auszieht, damit kein Rauch in
Kleidung und Haare gelangt.» MHH-Pädiaterin Hansen ist noch
entschiedener. Sie rät Eltern, «ganz auf das Rauchen zu verzichten,
um ihre Kinder nicht nachhaltig zu schädigen». Denn, so sagt der
Göttinger Pneumologe Raupach: «Da es für die Wirkung des Passivrauchs

auf den Organismus keinen Schwellenwert gibt, unterhalb dessen keine
Gefahr bestünde, ist jegliche Exposition mit einer Gefahr verbunden.»