Gekommen, um zu bleiben? Zehn Jahre Tigermücke in Deutschland Von Sönke Möhl, dpa

Sie ist klein und nervt. Sogar mehr als das: Die Asiatische
Tigermücke kann gefährliche Viren übertragen. Vor zehn Jahren
tauchten erste Exemplare in Deutschland auf. Inzwischen überwintert
sie sogar in Baden-Württemberg. Kann man sie wieder loswerden?

Freiburg/Heidelberg/Speyer (dpa) - Schon ihr Name klingt bedrohlich:
Asiatische Tigermücke. Sie ist die zugereiste aggressive Variante
unser zwar nervigen - aber doch wenig bedrohlichen - Stechmücken. Das
Insekt mit dem zoologische Namen Aedes albopictus kann gefährliche
Viren übertragen, darunter Dengue, Zika und Chikungunya. Ziemlich
genau vor zehn Jahren kamen die ersten Exemplare nach Deutschland.

Erstmals war die wärmeliebende Asiatische Tigermücke Ende September
2007 an einem Rastplatz der Autobahn A5 (Basel - Karlsruhe) bei Weil
am Rhein gefunden worden. Aus dem Jahr 1979 stammt nach Angaben der
European Mosquito Control Association (EMCA) der erste europäische
Nachweis des Insekts in Albanien. 1990 wurde es in einer Ladung
gebrauchter Reifen aus den USA in den italienischen Hafen Genua
eingeschleppt.

Angesichts des Klimawandels scheinen sich die stechenden Tierchen,
die an ihren weißen Tigerstreifen zu erkennen sind, einen neuen
Lebensraum nördlich der Alpen dauerhaft erobern zu wollen. In
Freiburg und Heidelberg überwintern sie bereits. Die erste größere
brütende Population wurde im September 2015 im Heidelberger Stadtteil
Wieblingen nachgewiesen. Ein Jahr zuvor war bereits eine kleinere
Population in Freiburg entdeckt worden. Ende August wurde die
Asiatische Tigermücke erstmals in Karlsruhe nachgewiesen.

Dort wurden Larven und Puppen gefunden, aber keine flugfähigen Tiere.
«Die Verbreitung hält sich wohl in Grenzen», sagt Artur Jöst von de
r
kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage
(Kabs). Für eine Entwarnung sei es dennoch zu früh: Bei herbstlichen

Temperaturen fliegen Mücken nicht.

Die professionellen Mückenjäger am Oberrhein - wo die Plagegeister
Schnaken genannt werden - geben angesichts jahrzehntelanger Erfahrung
nicht auf. Die Kabs-Fachleute und die Experten des Instituts für
Dipterologie (IfD) in Speyer, das Zweiflügler erforscht, setzen dabei
auf konventionelle Mittel der Mückenbekämpfung. Dazu zählen das
Austrocknen oder Abdecken von Brutstätten, wie Regentonnen,
Vogeltränken oder Topfuntersetzern.

Auch Fallen sollen helfen, die Zahl der Tiere zu reduzieren. Außerdem
greifen die Experten auf das Bakterium BTI zurück, das die Larven
tötet und in den Auen des Oberrheins die Mückenplage erfolgreich in
Grenzen hält. Es wird unter anderem per Hubschrauber verteilt.

Größte Hoffnung ist aber eine biotechnologische List. Im
italienischen Bologna werden einige aus Deutschland gebrachte
Tigermücken vermehrt. Mit Hilfe von Gammastrahlen sterilisieren die
Experten um Professor Romeo Bellini dann die männlichen Tiere. Ihre
Puppen sind kleiner als die der Weibchen und können daher ausgesiebt
werden. Nach der Behandlung sind sie unfruchtbar. Die sterilisierten
Tigermücken werden in den neuen Lebensräumen in Deutschland
ausgesetzt. Sie paaren sich mit den Weibchen - doch ihr Sperma führt
kaum noch zu lebensfähigem Nachwuchs.

Ob es auf diese Weise gelingt, die Populationen wieder auszurotten,
muss die Zeit zeigen. Im vergangenen Jahr gab es erste Erfolge. Eine
auf wenige Gärten begrenzte Population in Sinsheim im
Rhein-Neckar-Kreis sei praktisch verschwunden, sagt der
wissenschaftliche Direktor der Kabs, Norbert Becker. Dort habe die
Beseitigung der Brutstätten und die Behandlung mit BTI gereicht.

Die Populationen in Freiburg und Heidelberg seien um 80 bis 90
Prozent reduziert. «Den Rest wollen wir jetzt noch in die Knie
zwingen.» Gerade hole ein Mitarbeiter wieder 15 Kästen mit je 1000
sterilisierten Männchen aus Bologna ab, sagt der promovierte Biologe
und unterstreicht die Bedeutung der Arbeit der italienischen
Kollegen.

Bei allen Erfolgen kommen aber auch die Mücken auf ihrem
Eroberungszug voran. Im Juli seien die ersten Exemplare in
Rheinland-Pfalz gesichtet worden, an der Autobahn 61 bei Speyer, sagt
Becker. Es seien einzelne Exemplare auf Rasthöfen. «Schlimm wird es,
wenn sie in Siedlungs- und Gartenbereiche eingeschleppt werden», sagt
Becker. Der Kampf gegen die Asiatischen Tigermücken dürfte eine
Daueraufgabe bleiben. Denn mit den endlosen Auto- und
Lastwagenkolonnen werden immer wieder Exemplare nach Deutschland
kommen. «Wenn man alles ins Feld wirft, was wir an Möglichkeiten der
Bekämpfung haben, dann haben wir gute Chancen. Aber es bleibt eine
Daueraufgabe», sagt Becker.