Krisenstaat Südsudan: Mit dem Flugzeug Leben retten Von Stefanie Glinski, dpa

Seit mehr als drei Jahren herrscht im Südsudan ein schlimmer
Bürgerkrieg, Millionen von Menschen wurden vertrieben. In viele
Teilen des Landes haben die Einwohner kaum medizinische Versorgung.
Für einige Patienten ist die Rettung aus der Luft die einzige Chance.

Bor (dpa) - Schon vor Ankunft des kleinen Rettungsflugzeugs stehen
mehrere Autos neben dem ungeteerten Landestreifen aus roter Erde. Sie
sind voll mit verletzten Menschen, die in der südsudanesischen
Hauptstadt Juba operiert werden sollen. Die neunjährige Remaik ist
die jüngste Patientin. Wenige Tage zuvor wurde ihr in den Kopf
geschossen, als eine bewaffnete Gruppe junger Männer in ihr Dorf
eindrang, um dort Rinder zu stehlen. Remaiks Gesicht ist geschwollen,
ihre Augen kann sie kaum öffnen. Alle paar Minuten wird sie in den
Armen ihrer besorgten Mutter bewusstlos.

Remaik hat Glück im Unglück. Denn eine kleine Twin-Otter-Maschine des
Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) ist auf dem Flughafen
von Bor gelandet, ein nicht mehr als 700 Meter langer
Schotterstreifen, umgeben von einfachen braunen Lehmhütten mit
Strohdächern und grünen Wiesen. Das Flugzeug wird sie von dem Ort im
Zentrum des Landes in das südlich gelegene Juba bringen. Laut Ärzten
kann sie - mit richtiger medizinischer Versorgung - das Drama gut
überstehen. Hier in Bor würde sie vermutlich sterben.

«Wir haben sieben Flugzeuge und zwei Hubschrauber, mit denen wir in
abgelegene Regionen des Landes fliegen können, um dort Menschen durch
Evakuierungen das Leben zu retten», erzählt Shorty Adlard,
Luftbetriebsmanager beim IKRK. «Jeden Tag fliegen unsere Flugzeuge
durch das Land.» Ungefähr acht Hin- und Rückflüge gibt es täglich
,
doch meistens werden diese genutzt, um Hilfsgüter und Arbeiter zu
transportieren. Krankentransporte gibt es nicht jeden Tag - oft nur,
wenn es der Platz zulässt und die Aktion lebensrettend ist.

Allerdings können die Flugzeuge laut Adlard nicht immer landen. Alle
Flüge müssen zuerst vom südsudanesischen Militär genehmigt werden,

aber auch dann ist eine Landung nicht sicher. Im Krisenstaat sind
weniger als 100 Kilometer der Straßen geteert. Flughäfen zählen nur
in seltenen Fällen dazu.

Seit 2013 wütet im Südsudan ein Bürgerkrieg, dem über 50 000 Mensch
en
zum Opfer gefallen sind. Wegen des Konflikts und den schlechten
Transportmöglichkeiten haben viele Menschen keinen Zugang zu
Krankenhäusern oder Ärzten. Die Hälfte des Staatsbudgets wird in das

Militär investiert, während das Gesundheitswesen nur zwei Prozent -
etwa 6,1 Millionen Euro - erhält, wie der Gesundheitsminister des
Bundesstaates Jubek, James Jada, sagt. Zudem sei das komplette
Krankenhauspersonal im Land seit März nicht mehr bezahlt worden und
die meisten Einrichtungen hätten ihren Medizinvorrat aufgebraucht,
sagt Sandra Banks, eine Ärztin in einem Krankenhaus in Juba.

Im Flugzeug liegt Remaik bewusstlos auf dem Schoß ihrer Mutter. Ihre
Wunden sind mit Verbänden abgedeckt, ansonsten ist sie nur in ein
dünnes Tuch gehüllt. Eine Infusion ist provisorisch am Fenster
befestigt, die Flüssigkeit fließt dem Mädchen in den Arm. Vom Flug
bekommt sie nichts mit. Hinter ihr liegt ein weiterer Patient; ein
Familienvater, dem bei Kämpfen ins Bein geschossen wurde. Er ist
allein, stöhnt vor Schmerz.

Krankenpfleger Yuki Asakura kümmert sich während des kurzen Fluges um
Remaik. Der junge Japaner lebt schon seit zwei Jahren im Südsudan und
arbeitet für das IKRK. «Meine Aufgabe ist es sicherzustellen, dass
die Verletzten bis zur Ankunft im Krankenhaus stabil bleiben», sagt
er. «Ungefähr 80 Prozent der Menschen, die ich behandle, haben
Schussverletzungen.»

Nach rund 30 Minuten erreicht das kleine Flugzeug Juba. Auf dem
Flughafen der Hauptstadt stehen unzählige Maschinen, die meisten von
den UN, dem Roten Kreuz oder der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Sie
transportieren Lebensmittel, Medikamente und Ärzte in abgelegene,
anders unzugängliche Regionen des Landes. Oft bringen sie auf dem
Rückflug lebensgefährlich verletzte Patienten mit.

Für Remaik und den anderen Patienten steht bereits ein Krankenwagen
bereit, um sie in eine Klinik zu bringen. Ihr Schicksal liegt jetzt
in den Händen der Ärzte.