Minister-Vorstoß: In jedem Verkehrsfunk auf Rettungsgasse hinweisen Von Bernadette Winter und Christof Bock, dpa

Seit dem Busunglück von Bayern mit 18 Toten sind Gaffer besonders im
Visier. Wenn lebenswichtige Rettungsgassen blockiert sind, ist das
aber nicht immer böser Wille, meinen Experten. Ein Politiker setzt
auf das Radio.

Wiesbaden (dpa) - Der Aufruf zur Rettungsgasse sollte nach einem
Vorschlag aus der hessischen Landesregierung einen festen Platz in
jedem ausgestrahlten Verkehrsfunk haben. «Es sollte automatisch mit
der Durchsage «Auf der A3 zwischen Offenbacher Kreuz und Obertshausen
ist Stau» auch gesagt werden: «Bitte denken Sie daran, eine
Rettungsgasse zu bilden»», sagte Gesundheitsminister Stefan Grüttner

(CDU) am Montag.

Man müsse mit Sendern, die Verkehrsfunk hätten, «reden, ob nicht der

Hinweis «Bitte Rettungsgasse bilden» automatisch mit jeder
Staumeldung auch einhergeht.» Das Rettungswesen fällt in Grüttners
Zuständigkeitsbereich. Laut einer neuen Umfrage wünscht sich eine
Mehrheit in Deutschland eine härtere Gangart gegen Gaffer, die
Rettungskräften den Weg blockieren oder an der Arbeit hindern.

Demnach plädieren fast 63 Prozent der Befragten dafür, dass die
Polizei grundsätzlich die Personalien aller unbeteiligten Zuschauer
notieren sollte, damit diese später gegebenenfalls wegen
unterlassener Hilfeleistung belangt werden können. Gut 92 Prozent
verlangen, dass neben Polizei und Feuerwehr auch Notärzte das Recht
bekommen sollten, Platzverweise gegen Schaulustige auszusprechen, die
die Rettung stören. Die GfK Marktforschung hat für die «Apotheken
Umschau» mehr als 2000 Menschen über 14 repräsentativ befragt.

Minister Grüttner beklagte in Wiesbaden das Verhalten vieler
Verkehrsteilnehmer nach Unfällen: «Sobald ein Einsatzfahrzeug durch
die Rettungsgasse fährt, setzen sich die Autofahrer dahinter.»

Auch Rettungskräfte beklagen zunehmend, dass Autofahrer nach Unfällen
im «Windschatten» der Einsatzfahrzeuge fahren, anstatt eine
Rettungsgasse freizuhalten. «Das passiert bei so gut wie jedem
Unfall», sagte Eugen Wagner, Mitarbeiter eines Abschleppdienstes.

«Viele Autofahrer glauben, dass der Notarzt über den Standstreifen
fährt und wissen nicht, wie eine Rettungsgasse gebildet wird»,
betonte ADAC-Experte Jürgen Lachner. Sensibilisierung sei wichtig.

Seit Ende Mai gilt es als Straftat, bei Unglücksfällen vorsätzlich
Einsatzkräfte zu behindern, die Hilfe leisten oder leisten wollen.
Darauf stehen nun Geldstrafe oder bis zu ein Jahr Haft. Für eine
Bilanz, wieviele Leute seither bestraft wurden, sei es noch zu früh,
hieß es am Montag einhellig in einer Reihe von Landesministerien.

In den vergangenen Monaten kam es immer wieder vor, dass Autofahrer
im Stau die Rettungsgasse nicht frei hielten und beim Vorbeifahren an
der Unfallstelle Videos machten. Besonders nach dem Busunglück in
Bayern, bei dem 18 Menschen starben, wurden Gaffer heftig kritisiert.

In der GfK-Umfrage bekannten sich viele dazu, selbst Schaulustige
gewesen zu sein: 31 Prozent räumten ein, bei Verkehrsunfällen schon
mal langsam an der Unfallstelle vorbeizufahren und sich das Geschehen
anzuschauen - um zu erfahren, weshalb man im Stau steht. Für etwa 25
Prozent ist es auch völlig in Ordnung, das Unfallgeschehen aus
nächster Nähe zu betrachten, solange man die Rettungskräfte nicht
behindert.