Problem Pflege-TÜV - Bessere Pflegenoten nicht in Sicht Von Basil Wegener, dpa

«Wir brauchen endlich einen Pflege-TÜV, der seinen Namen auch
verdient.» Das sagte Gesundheitsminister Gröhe vor mehr als einem
Jahr. Doch immer noch steht in den Sternen, wann aussagekräftige
Heimbewertungen kommen.

Berlin (dpa) - Auch nach langem Ringen um eine Reform des Pflege-TÜV
müssen Pflegebedürftige noch weit mehr als ein Jahr auf
aussagekräftige Pflegenoten für Heime warten. Vorschläge von
offiziell beauftragten Wissenschaftlern zur Messung der
Pflegequalität würden voraussichtlich erst im Sommer 2018 vorliegen,
sagte Gernot Kiefer vom Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen
Pflegekassen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Die Koalition hatte Pflegeanbietern und Kassen dafür eine Frist bis
vergangenen März gesetzt. Diese wurde gebrochen. Liegen die
Vorschläge der beauftragten Wissenschaftler vor, «werden wir umgehend
mit der Umsetzung (...) beginnen», sagte Kiefer. Das könne sogar bis
2020 dauern, berichtete die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»
(FAZ/Donnerstag).

Die Bundesregierung warnte vor einem Scheitern des neuen Pflege-TÜV.
Die Regierung werde nicht zulassen, dass dieser ein «Rohrkrepierer»
werde, sagte Pflegebevollmächtigte Ingrid Fischbach (CDU) der FAZ.
Heimbetreiber, Pflegeanbieter und Kassen müssten ihren gesetzlichen
Auftrag ernst nehmen und zügig umsetzen.

Beim Pflege-TÜV werden Heime und Pflegedienste vom Medizinischen
Dienst der Kassen geprüft und benotet. Die Ergebnisse sind online
abrufbar. Im Schnitt kommen die Heime und Dienste auf die Note 1,3.
«Der Pflege-TÜV ist Mist», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung

Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. «Denn Traumnoten am Fließband
verschleiern Missstände und haben mit der Realität nichts zu tun.»
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) dürfe den Pflege-TÜV nicht
allein Kassen und Pflegeanbietern überlassen. Diese kümmern sich als
Selbstverwaltung in einem «Qualitätsausschuss» um die Reform.

Allerdings war die Selbstverwaltung bereits 2013 mit einer Reform des
Pflege-TÜV gescheitert, wie Kritiker bemängelten. Damals musste -
mangels Einigung zwischen Betreibern und Kassen - eine Schiedsstelle
über eine Verschärfung der Heim-Bewertungen entscheiden. Doch die
Noten galten weiter als wenig hilfreich. 2015 beauftragte der
Gesetzgeber Betreiber und Kassen deshalb mit der neuen Reform.

Die Kassen gaben den Pflegeanbietern die Schuld an der Verzögerung.
Qualitativ besser und schneller ginge es, wenn die Pflegeversicherung
alleine entscheiden dürfte, wie Pflegequalität gemessen und
dargestellt wird, sagte Kiefer. Auch der Gesundheitsexperte der
Bertelsmann Stiftung, Stefan Etgeton, sagte: «Die Heimbetreiber haben
kein Interesse daran, dass die Unterschiede zwischen den
Einrichtungen wirklich transparent werden.» Allerdings wollten die
Pflegekassen die Kontrolle über die Daten und Erhebungen behalten.

«Völlig unterbelichtet ist beim Pflege-TÜV heute, wie die
Lebensqualität in einem Heim ist», sagte Etgeton. «Ob man ein
Haustier mitnehmen kann, einen Garten nutzen oder ob es religiöse
Angebote gibt, wird heute gar nicht systematisch erhoben.» Auch wie
viele Bewohner eine Pflegekraft betreuen müsse, bleibe verborgen.

Entsprechend fürchtet jeder zweite Bundesbürger, im Alter nicht das
passende Pflegeheim zu finden. 55 Prozent der Deutschen sehen starke
Qualitätsunterschiede zwischen den Heimen. Bei Menschen, die bereits
einmal ein Pflegeheim gesucht haben, sind es sogar 66 Prozent. Zwei
von drei Deutschen wünschen Auskunft über die Anzahl des Personals,
wie die Emnid-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung ergab.

Die Stiftung und ihr Internetportal «Weisse Liste», das Patienten bei
der Online-Suche in Gesundheitsfragen helfen will, schlugen einen
neuen Pflege-TÜV vor. Darin sollten Informationen zur Pflegequalität,
zum Personaleinsatz und zur Lebensqualität eines Heims online
abrufbar sein.

Der Pflegeverband bpa wies die Vorwürfe nach Verzögerung zurück. Die

Selbstverwaltung zu kritisieren, verkenne die Realitäten.

Die Grünen-Pflegeexpertin Elisabeth Scharfenberg forderte, der
«Qualitätsausschuss» dürfe die Reform nicht weiter herauszögern.
«Da
geht viel Zeit verloren», sagte die Präsidentin des Sozialverbands
VdK, Ulrike Mascher, der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag).