Der Staat als «Dealer»: Gras-Revolution in Uruguay Von Georg Ismar und Juan Garff, dpa

Für die Freunde der Marihuana-Legalisierung ist es ein historischer
Tag: Als erstes Land hat Uruguay den staatlichen Verkauf von Gras in
Apotheken gestartet, auch der Anbau wird vom Staat organisiert. Das
Ziel: den kriminellen Drogenbanden Millioneneinnahmen entziehen.

Montevideo (dpa) - Ganz behutsam werden die Pflanzen untersucht, die
Mitarbeiter der International Cannabis Corporation müssen Haarnetze
tragen. Hier, unweit des Gefängnisse Libertad, wird in Uruguay in
diesen Tagen eine neue drogenpolitische Geschichte geschrieben. Im
Auftrag des Staates wird Marihuana angebaut, um es landesweit an
interessierte Menschen zu verkaufen. Ganz legal, zum Schleuderpreis.

Was ist das einzigartige an dem Projekt? 

Produktion und Abgabe wird erstmals durch den Staat organisiert. Die
Macht der Drogen-Clans soll damit gebrochen werden. Wer kiffen will,
konnte sich in den vergangenen Monaten registrieren lassen. Es gibt
drei Optionen, man muss sich für eine entscheiden: Erstens: Den Kauf
in 16 ausgewählten Apotheken, der am Mittwoch gestartet worden ist.
Zweitens: den Anbau von bis zu sechs Pflanzen daheim oder drittens
die Mitgliedschaft in einem Club, der gemeinschaftlich Hanf anbaut
und jedem Mitglied bis zu 480 Gramm Eigenkonsum im Jahr gestattet.

Wie viel kostet das «Staats-Marihuana»?

Die Regierung hat den Preis auf 187,04 Peso für ein 5-Gramm-Päckchen
festgelegt. Das entspricht knapp 1,30 Dollar pro Gramm, weit weniger
als jene zwei bis drei Dollar, die auf dem Schwarzmarkt für das Gras
gefordert werden. Zudem wird die besondere Qualität der Pflanzen
hervorgehoben, die wohlbehütet von der International Cannabis
Corporation (ICC) und dem Unternehmen Simbiosys angebaut werden.

Wer darf kiffen?

Die bisher rund 5000 Konsumenten, die sich für den Kauf in Apotheken
eingeschrieben haben, die knapp 7000 registrierten privaten
Hanf-Anbauer und die Mitglieder in bisher 63 genehmigten
Cannabis-Clubs (mit je 15 bis 45 Mitgliedern). Insgesamt 13 500
Menschen, 70 Prozent Männer, 30 Prozent Frauen. Die Bedingung: Sie
müssen über 18 Jahre alt und seit mindestens einem Jahr in Uruguay
ansässig sein. Der Weiterverkauf - auch an Touristen - ist verboten.
Ausländer bleiben außen vor, Kiffertourismus soll damit vermieden
werden. Nur wer registriert ist, kann legal Marihuana einkaufen.

Was ist der Unterschied zu den Coffee-Shops in den Niederlanden?

In den Niederlanden gibt es nur eine Tolerierung. Die Droge wird
legal verkauft, kommt aber vom Schwarzmarkt. Zudem gibt es keine
Kontrolle, wer das Gras bekommt. In Uruguay soll mit dem Gesetz
gezielt der illegale Markt eingedämmt werden. «Das ist ein wichtiger
Schlag. Das ist Geld, das nicht die Korruption alimentiert», sagt
einer der Initiatoren des Legalisierungsgesetzes, Julio Calzada.

Wie kam es zur Legalisierung?

Der damalige Staatschef José Mujica, ein früherer Guerillakämpfer,
hatte die Initiative zur Legalisierung des Marihuana-Konsums 2012
angekündigt. Das Gesetz wurde Ende 2013 vom Parlament angenommen, es
folgten lange Debatten über die Umsetzung des Verkaufs in Apotheken.
Das kleine Uruguay ist eines der progressivsten Länder Südamerikas -
es hat neben der liberalen Drogenpolitik zugleich eines der weltweit
strengsten Raucher-Gesetze und in dem Kontext einen millionenschweren
Musterprozess gegen den US-Tabakriesen Philip Morris gewonnen.

Wie funktioniert der Vertrieb?

In zunächst 16 ausgewählten Apotheken muss sich der Konsument mit
seinem elektronischen Fingerabdruck identifizieren. Über einen
zentralen Speicher des staatlichen Cannabis-Instituts (IRCCA) wird
der Verkauf von wöchentlich bis zu zehn und monatlich bis zu 40 Gramm
pro Person genehmigt. Die beiden Marihuana-Unternehmen dürfen zwei
Tonnen Gras pro Jahr produzieren, mit jeweils rund 15 000 Pflanzen.

Wird damit der illegale Markt zerstört?

Nein. Die Anzahl der regelmäßigen Konsumenten wird von der Regierung
auf 55 000 Menschen geschätzt, mit einem Konsum von 26,5 Tonnen im
Jahr, die vor allem aus dem benachbarten Paraguay nach Uruguay
geschmuggelt werden. Rund 40 Millionen Dollar pro Jahr verdienen
Dealerbanden bisher. Bereits 2017 sollen den Drogenhändlern sieben
Millionen US-Dollar an Umsatz entzogen werden. Nächstes Jahr sollen
es dann 20 Millionen werden. Da nur vier Tonnen staatlich angebaut
werden, wird es aber vorerst auch weiterhin illegalen Konsum geben.

Wie ist die Lage in anderen Ländern?

In einigen US-Bundesstaaten ist der Anbau zu Hause in kleinen Mengen
erlaubt. In Deutschland geht es um einen streng limitierten Zugang
für kranke Menschen. Weil solche Modelle im Kommen sind, setzen die
beiden zertifizierten Anbauer auch auf Exportchancen für Gras «made
in Uruguay». Aber die Frage ist: Lässt sich der legale Markt auch
kontrollieren - oder wird das günstige Gras illegal weiterverkauft?