US-Arzt soll Baby Charlie untersuchen - Urteil für Ende Juli geplant

Ein Mediziner aus den USA schätzt die Chancen, dass sich der Zustand
des todkranken Jungen Charlie verbessert, auf zehn Prozent. Ob er den
Jungen behandeln darf, könnte am 25. Juli entschieden werden.

London (dpa) - Ein Arzt aus den USA soll den todkranken britischen
Jungen Charlie Gard in der kommenden Woche untersuchen. Das
berichtete die britische Nachrichtenagentur PA am Freitag mit Verweis
auf eine Anhörung vor Gericht. Ein Richter am Londoner High Court
muss entscheiden, ob neue Expertengutachten die Aufhebung eines
früheren Urteils rechtfertigen. Zuvor hatten Gerichte durch alle
Instanzen hindurch entschieden, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen
für den elf Monate alten Jungen eingestellt werden sollen. Am 25.
Juli soll dem britischen Sender Sky News zufolge ein Urteil ergehen.

Michio Hirano, ein Professor für Neurologie an der Columbia
University in New York, schätzt die Chancen, dass sich Charlies
Zustand mit einer experimentellen Therapie verbessert, auf zehn
Prozent. Er wird am kommenden Montag und Dienstag im Krankenhaus
Great Ormond Street in London, wo Charlie behandelt wird, erwartet.

Die Ärzte dort glauben nicht, dass Charlie noch geholfen werden kann.
Sie wollen ihm Leid ersparen und fordern, dass er in Würde sterben
soll. Er habe bereits irreparable Schäden am Hirn erlitten,
argumentieren sie. Charlies Eltern wollen ihn dagegen für eine
experimentelle Therapie in die USA bringen.

Der elf Monate alte Junge leidet an einer seltenen genetischen
Erkrankung, in der Fachsprache mitochondriales DNA-Depletionssyndrom
(MDDS), wobei insbesondere das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen
wird. Charlie muss künstlich beatmet und ernährt werden.

Bereits Ende Juni sollte Charlies Beatmung eingestellt werden, doch
die Eltern erbaten sich Aufschub, um Abschied zu nehmen. Am
vergangenen Wochenende hatten Charlies Eltern eine Petition mit
350 000 Unterschriften in der Klinik eingereicht, mit der sie eine
Behandlung ihres schwerkranken Sohns im Ausland erreichen wollen. Sie
sammelten rund 1,5 Millionen Euro an Spenden, um den Krankentransport
und die Behandlung finanzieren zu können.

Ende vergangener Woche kündigte das Great-Ormond-Street-Hospital an,
den Fall nochmals gerichtlich überprüfen zu lassen. Anlass waren die
Zuschriften mehrerer Experten, die angaben, neue Erkenntnisse über
die Chancen einer experimentellen Therapie vorlegen zu können.

Charlies Eltern waren Medien zufolge am Donnerstag aus dem
Gerichtssaal gestürmt. Anlass soll eine Auseinandersetzung über die
Frage gewesen sein, ob Charlie in seinem derzeitigen Zustand leidet.
Später kehrten die Eltern demnach zurück.

Der Fall hatte international Schlagzeilen gemacht. Sogar Papst
Franziskus und US-Präsident Donald Trump hatten sich dazu
geäußert. Krankenhäuser in den USA und Italien hatten angeboten,
Charlie weiter zu behandeln.