Fall Baby Charlie - US-Experte sieht Heilungschance

Ein Richter am Londoner High Court muss entscheiden, ob der elf
Monate alte Junge für eine experimentelle Therapie in die USA
gebracht werden darf. Seine Ärzte fordern, ihn sterben zu lassen.

London (dpa) - Ein US-amerikanischer Arzt hat dem schwerkranken
britischen Baby Charlie eine zehnprozentige Chance auf Heilung durch
eine experimentelle Behandlung eingeräumt. Das berichteten SkyNews
und andere britische Medien am Donnerstag. Der Mediziner, dessen
Identität nicht öffentlich gemacht werden darf, stützt seine Aussage

vor Gericht auf angeblich neue Forschungsergebnisse.

Ein Richter am Londoner High Court muss entscheiden, ob neue
Expertengutachten die Aufhebung eines früheren Urteils rechtfertigen.
Zuvor hatten Gerichte durch alle Instanzen hindurch entschieden, dass
die lebenserhaltenden Maßnahmen für den elf Monate alten Jungen
eingestellt werden sollen. Am Freitag soll die Anhörung in den
dritten Tag gehen. Sie beginnt nachmittags (15 Uhr MESZ). Wann es
eine Entscheidung gibt, ist nach wie vor unklar.

Am Donnerstagvormittag waren Charlies Eltern Medienberichten zufolge
aus dem Gerichtssaal gestürmt. Anlass soll eine Auseinandersetzung
über die Frage gewesen sein, ob Charlie in seinem derzeitigen Zustand
leidet. Später kehrten die Eltern wieder zurück.

Die Ärzte im Londoner Great-Ormond-Street-Krankenhaus, wo Charlie
behandelt wird, wollen ihm Leid ersparen und fordern, dass er in
Würde sterben soll. Er habe bereits irreparable Schäden am Hirn
erlitten, argumentieren sie. Charlies Eltern wollen ihn dagegen für
eine experimentelle Therapie in die Vereinigten Staaten bringen.

Strittig war bei der Anhörung am Donnerstag der BBC zufolge, ob
Charlies Schädel in den vergangenen drei Monaten gewachsen ist. Das
Krankenhaus argumentierte, Charlie habe fast keine Hirnaktivität
mehr, daher habe sich der Umfang seines Kopfes nicht mehr vergrößert.
Charlies Mutter bestreitet das. Sie will zwei Zentimeter mehr
gemessen haben als das Klinikpersonal. Der Richter ordnete eine
unabhängige Messung bis Freitag an.

Der elf Monate alte Junge hat eine seltene genetische Erkrankung, in
der Fachsprache mitochondriales DNA-Depletionssyndrom (MDDS), wobei
insbesondere das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen wird. Charlie muss
künstlich beatmet und ernährt werden.

Bereits Ende Juni sollte Charlies Beatmung eingestellt werden, doch
die Eltern erbaten sich Aufschub, um Abschied zu nehmen. Am
vergangenen Wochenende hatten Charlies Eltern eine Petition mit 350
000 Unterschriften in der Klinik eingereicht, mit der sie eine
Behandlung ihres schwerkranken Sohnes im Ausland erreichen wollen.
Sie sammelten rund 1,5 Millionen Euro an Spenden, um den
Krankentransport und die Behandlung finanzieren zu können.

Der Fall hatte international Schlagzeilen gemacht. Sogar Papst
Franziskus und US-Präsident Donald Trump hatten sich dazu
geäußert. Krankenhäuser in den USA und Italien hatten angeboten,
Charlie weiter zu behandeln.