HIV-Medikament Isentress kann weiter in Deutschland angeboten werden

Ein Pharmaunternehmen wird dazu gezwungen, einem Konkurrenten eine
Lizenz einzuräumen. Dazu kommt es nur sehr selten. Im Fall eines
wichtigen Arzneimittels ging der BGH nun diesen Weg.

Karlsruhe (dpa) - Das HIV-Medikament Isentress darf vorläufig weiter
auf dem deutschen Markt vertrieben werden. Der Bundesgerichtshof
(BGH) bestätigte am Dienstag in Karlsruhe eine entsprechende
Entscheidung des Bundespatentgerichts. Das Mittel mit dem Wirkstoff
Raltegravir verlangsamt die Ausbreitung des Virus im Körper.

Hintergrund ist ein Patentrechtsstreit zwischen dem US-Pharmakonzern
Merck & Co (MSD) und dem japanischen Pharmaunternehmen Shionogi. MSD
bietet das Medikament seit 2008 in Deutschland an. Shiongi will das
unterbinden, da sich das Unternehmen dadurch in seinen Patentrechten
verletzt sieht. MSD wiederum geht gegen das Patent der Japaner vor.
Der Streit ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

In einem Eilverfahren erlaubte das Bundespatentgericht MSD 2016
vorläufig, Isentress weiter zu vertreiben, weil etwa Schwangere und
Neugeborene das Medikament dringend bräuchten. Eine Entscheidung in
der Hauptsache steht noch aus.

Eine solche sehr seltene Zwangslizenz bestätigte der BGH nun. Es
liege im öffentlichen Interesse, dass der US-Konzern das Medikament
weiter verkaufen könne, weil Shiongi es selbst nicht auf dem Markt
anbiete, sagte der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck bei der
Urteilsverkündung. Alternative Mittel seien mit Risiken verbunden,
die nicht für alle Patienten hinnehmbar erschienen.

Der Patentsenat war zudem der Ansicht, dass sich MSD vor dem
Gerichtsverfahren ausreichend darum bemüht hatte, mit den Japanern
eine Lizenz auszuhandeln. Auch dies ist Voraussetzung für eine
Zwangslizenz. Die Gespräche seien erfolglos verlaufen, weil die
Vorstellungen der Parteien über die Höhe der Lizenzgebühr so weit
auseinander lagen. Dafür habe es aber einen plausiblen Grund
gegeben: der ungewisse Ausgang des Patentstreits. (Az. X ZB 2/17)