Klagende Gewerkschaften enttäuscht von Urteil zur Tarifeinheit

Karlsruhe (dpa) - Die klagenden Gewerkschaften haben das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz überwiegend
enttäuscht aufgenommen. Die Richter hatten das Gesetz im Grundsatz
als verfassungsgemäß eingestuft, aber Vorgaben gemacht, wie die
Interessen von Minderheitsgewerkschaften besser berücksichtigt werden
müssen. Das Gesetz sieht vor, dass nur noch der Tarifvertrag der
Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in einem Betrieb gilt,
sofern sich die Gewerkschaften nicht einigen.

Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sagte in
Karlsruhe: «Der Angriff auf Berufsgewerkschaften ist in erster Linie
abgewehrt. Wir hätten uns allerdings eine klarere Entscheidung
gewünscht, nämlich ein klares Zurückweisen des Gesetzes.» Für die
GDL
gehe von dem Gesetz nach den Vorgaben des Gerichts allerdings keine
Gefahr aus: «Die nächsten 150 Jahre sind bei uns gesichert.» Kritiker

hatten Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgeworfen, mit dem
Gesetz vor allem die Bahnstreiks der GDL stoppen zu wollen.

Als «schwer nachvollziehbar» kritisierte der Vorsitzende des
Beamtenbunds dbb, Klaus Dauderstädt, das Urteil. Die vom Gericht
geforderten Änderungen und Ergänzungen würden das Gesetz kaum
praktikabler machen. «Auf die Arbeitsgerichte kommen enorme
Belastungen zu.» Auch in neuer Form verschärfe das Gesetz die
Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften. Der dbb erwäge eine Klage vor
dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis sagte: «Wenig Licht, viel Schatten.»
Die Lösung von Tarifkonflikten überlasse das Gericht den
Arbeitsgerichten. «Uneinheitliche Urteile und unzählige Prozesse
drohen zu jahrelanger Rechtsunsicherheit zu führen.» Der Chef der
Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, sagte: «Wir fühlen

uns als Berufsgewerkschaft gestärkt und anerkannt.» Nun müssten
Arbeitsgerichte und Gesetzgeber die Vorgaben des Gerichts
berücksichtigen. Der Präsident der Piloten-Vereinigung Cockpit, Ilja
Schulz, kritisierte, kleine Gewerkschaften müssten weiter fürchten,
durch eine größere verdrängt zu werden.