Schmerzensgeld-Klage wegen Pfusch-Implantaten scheitert vor dem BGH

Vor mehr als sieben Jahren kam der Brustimplantate-Skandal beim
Hersteller PIP ans Licht - skrupelloser Betrug zulasten der Frauen.
Die Opfer kämpfen bis heute um finanziellen Ausgleich. In Deutschland
haben sich ihre Hoffnungen aber nun weitgehend zerschlagen.

Karlsruhe (dpa) - Opfer des Skandals um minderwertige Brustimplantate
aus Industrie-Silikon haben in Deutschland kaum noch Chancen auf
Schmerzensgeld. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies am Donnerstag mit
einem Grundsatz-Urteil die Klage einer betroffenen Frau aus
Ludwigshafen gegen den TÜV Rheinland in letzter Instanz ab. Die
Prüfer hätten bei der Überwachung des französischen Herstellers Pol
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Implant Prothèse (PIP) keine Pflichten verletzt. (Az. VII ZR 36/14)

PIP hatte bis zum Auffliegen des groß angelegten Betrugs 2010 die
meisten hergestellten Implantate mit nicht für diese Zwecke
zugelassenem Industrie-Silikon gefüllt. Allein in Deutschland waren
weit mehr als 5000 Frauen davon betroffen. Sie bekamen die
Empfehlung, sich die reißanfälligen und teilweise undichten
Implantate zur Sicherheit entfernen zu lassen.

Der TÜV hatte die Qualitätssicherung von PIP zertifiziert und über
viele Jahre überwacht, bei mehreren angekündigten Kontrollen in der
Firma aber nichts gemerkt. Dort wurde vor dem Besuch von Prüfern das
Billig-Silikon gegen das zugelassene, höherwertige Gel ausgetauscht.
Der TÜV sieht sich deshalb selbst als Opfer des Betrugs.

Nach Ansicht betroffener Frauen wären die Missstände früher ans Licht

gekommen, wenn der TÜV dem Betrieb zum Beispiel Überraschungsbesuche
abgestattet hätte. Weil bei der insolventen Firma PIP kein Geld mehr
zu holen ist, verklagten sie reihenweise den TÜV. Die Karlsruher
Richter beanstanden nun aber keine solchen Versäumnisse.

Die Klägerin, eine 67 Jahre alte Rentnerin, hatte jahrelang durch
alle Instanzen um mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld gestritten -
am Ende ohne Erfolg. Sie hatte sich 2008 zur Sicherheit Brustgewebe
entfernen lassen, weil es in ihrer Familie mehrere Krebserkrankungen
gab. Auf ärztlichen Rat ließ sie sich 2012 ein zweites Mal operieren
und die gefährlichen PIP-Implantate austauschen.

Ihre Klage war die erste, die den BGH erreichte. Mit dem Urteil geben
die obersten Zivilrichter auch die Linie für andere
Schmerzensgeld-Prozesse vor. Der Konzernsprecher des TÜV Rheinland,
Hartmut Müller-Gerbes, sprach von einer «wegweisenden Entscheidung».

Er sei zuversichtlich, dass die anderen Gerichte sich dem anschließen
würden. Derzeit sei in Deutschland noch eine zweistellige Zahl von
Verfahren gegen den TÜV anhängig, sagte er in Karlsruhe.

Der Fall war zuvor bereits beim Europäischen Gerichtshof (EuGH)
gewesen. Danach war schon klar, dass der TÜV Rheinland zumindest
nicht ohne Anlass zu unangemeldeten Kontrollen verpflichtet war. Gibt
es Hinweise auf Missstände, müssen Prüfstellen wie der TÜV laut dem

EuGH-Urteil aber zwingend «alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen».


Die Anwältin der Klägerin, Ruth Schultze-Zeu, sagte, sie habe für
noch laufende PIP-Verfahren mehr als 25 solcher Hinweise gefunden.
«Ich kämpfe weiter und bin zuversichtlich, diese Hürde zu nehmen.»