Merkel hofft auf die Kreativität Macrons für Europa

Ein «schützendes Europa» will der neue französische Präsident und

eine enge Partnerschaft mit Deutschland. Bei seinem ersten EU-Gipfel
trifft Macron auf hohe Erwartungen - und schwierige Themen.

Brüssel (dpa) - Deutschland und Frankreich wollen der Europäischen
Union gemeinsam neuen Schub geben und den Brexit rasch abhaken. Es
gehe um eine gute Zukunft für die 27 bleibenden EU-Länder und nicht
vorrangig um die Verhandlungen mit Großbritannien, sagte
Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag zum Auftakt des
EU-Gipfels in Brüssel. Sie setze auf Kreativität und neue Impulse
durch Frankreichs neuen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser betonte
seine enge Partnerschaft mit Merkel und sagte: «Wir arbeiten mit
Deutschland Hand in Hand.»

Macron hatte nach seinem Wahlsieg im Mai für Aufbruchstimmung in der
EU gesorgt und auch Merkel für seine Forderung nach Reformen
gewonnen. Bei seinem ersten Gipfel mit der Kanzlerin und den übrigen
EU-Staats- und Regierungschefs standen etliche Großthemen auf der
Tagesordnung, darunter Wachstums-, Handels- und Migrationspolitik,
ein Bekenntnis zum Klimaschutz und der Rückblick auf die erste Runde
der Brexit-Verhandlungen am Montag. Fortschritte erhoffte man sich
vor allem für eine gemeinsame Verteidigungspolitik.

Macron betonte vorab die großen Linien: «Europa ist in meinen Augen
nicht nur eine Idee, das ist ein Projekt, eine Ambition.» Es gehe um
ein «schützendes Europa». Merkel sagte, sie glaube, dass neue Impulse

durch Deutschland und Frankreich allen gut tun könnten. «Wir werden
mit unserer Agenda heute hier alles dafür tun, damit die
Veränderungen auch spürbar werden für die Menschen sowohl was
Arbeitsplätze anbelangt, aber auch was das Thema Sicherheit
anbelangt», sagte die CDU-Chefin.

Mit den Themen Sicherheit und Verteidigung begannen die Staats- und
Regierungschefs am Donnerstagnachmittag auch ihre Gespräche. Nach den
jüngsten Anschlägen in London, Paris und Brüssel will die EU den
Kampf gegen Gewaltaufrufe im Internet verstärken. Zudem soll die
militärische Zusammenarbeit ausgebaut werden. Ziel war, dass der
Gipfel sich hinter Pläne für einen europäischen Verteidigungsfonds
für gemeinsame Rüstungsprojekte stellt. Erwartet wurde zudem
Rückendeckung für eine Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland

wegen der Krim-Krise.

Wenige Tage nach dem Auftakt der Brexit-Verhandlungen wollte
Premierministerin Theresa May ihren Noch-Partnern in der EU auch über
die britische Linie informieren und ihnen ein Angebot zur Sicherung
der Rechte der EU-Bürger in Großbritannien unterbreiten. Der
Verhandlungsstart am Montag sei konstruktiv gewesen, sagte May.
«Heute werde ich einige der Pläne des Vereinigten Königreichs
darlegen.» Die übrigen 27 EU-Länder wollen aber auf dem Gipfel keine

Brexit-Verhandlungen führen.

Ohne Großbritannien wollten sich die 27 bleibenden Länder aber am
späten Donnerstagabend indirekt mit dem Thema befassen. Gesucht
werden neue Standorte für die bisher in London ansässigen
EU-Agenturen EMA (Arzneimittel) und EBA (Bankenaufsicht). Fast alle
27 bleibenden Länder wollen sich darum bewerben. Auf dem Gipfel geht
es zunächst nur um ein Auswahlverfahren.

Umstritten bleibt in der EU die Flüchtlingspolitik. So sperren sich
unter anderem Ungarn und Polen weiter gegen die Umverteilung von
Menschen, die in Italien und Griechenland auf Aufnahme in anderen
EU-Ländern warten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte:
«Ich bin traurig zu sehen, dass wir immer noch einige Differenzen
oder Probleme haben.» Aber nach außen hin sei die EU geeinigt und
habe bereits wichtige Ergebnisse erzielt, etwa bei der Ausbildung der
libyschen Küstenwache, die Migranten auf dem Weg von Nordafrika nach
Europa stoppen soll.