Schmerzensgeld-Klage wegen Pfusch-Implantaten beschäftigt BGH

Vor mehr als sieben Jahren kam der Brustimplantate-Skandal beim
Hersteller PIP ans Licht. Die Opfer kämpfen bis heute um finanziellen
Ausgleich. Zahlen soll der verwickelte TÜV Rheinland. Ob die Prüfer
wirklich haften, entscheidet sich nun in einem Grundsatz-Verfahren.

Karlsruhe (dpa) - Die Schmerzensgeld-Klage einer Betroffenen des
Skandals um minderwertige Brustimplantate hat am Donnerstag bereits
zum zweiten Mal den Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt. In dem
Grundsatz-Verfahren klärt sich, ob der TÜV Rheinland eine
Mitverantwortung trägt und möglicherweise mit hohen Geldforderungen
konfrontiert wird. Der TÜV hatte die Qualitätssicherung des
französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) zertifiziert
und überwacht. PIP befüllte bis zum Auffliegen des Betrugs 2010
Implantate mit nicht für diese Zwecke zugelassenem Industrie-Silikon.
Das Urteil wird möglicherweise direkt um 15.00 Uhr verkündet.

Allein in Deutschland waren weit mehr als 5000 Frauen betroffen. Sie
bekamen die Empfehlung, sich die reißanfälligen und teilweise
undichten Implantate zur Sicherheit besser entfernen zu lassen.

Die Klägerin, eine 67-Jährige aus Ludwigshafen, ließ sich daraufhin
ein zweites Mal operieren. Sie hatte sich 2008 zur Sicherheit
Brustgewebe entfernen lassen, weil es in ihrer Familie mehrere
Krebserkrankungen gab. Deshalb trug sie die Implantate.

Von dem TÜV will die Rentnerin mindestens 40 000 Euro Schmerzensgeld.
Sie ist der Ansicht, dass der Betrug früher ans Licht gekommen wäre,
wenn die Prüfer bei ihren Besuchen genau genug hingeschaut hätten.

In Karlsruhe wird höchstrichterlich vorgegeben, ob solche Klagen eine
Chance haben. Die Entscheidung ist daher auch für andere Opfer sehr
wichtig. Bei der insolventen Firma PIP ist kein Geld mehr zu holen.

Der Senat kann ein abschließendes Urteil sprechen. Denkbar ist auch,
dass der Fall vor dem Oberlandesgericht in eine neue Runde geht, um
zu klären, ob der TÜV Prüfpflichten verletzt hat. (Az. VII ZR 36/14
)

Der BGH hatte das Verfahren 2015 ausgesetzt, um den Europäischen
Gerichtshof (EuGH) zu befragen. Nach dessen Urteil aus dem Februar
hat eine Stelle wie der TÜV keine generelle Pflicht, unangekündigte
Kontrollen durchzuführen. Gab es Hinweise auf Missstände, hätte der
TÜV demnach aber «alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen» müssen
.

Zentrale Frage ist also jetzt, ob der TÜV Pflichten verletzt hat. Aus
Sicht des BGH-Anwalts der Klägerin, Peter Wessels, hätten die Prüfer

angesichts früherer Behördenwarnungen im Ausland Misstrauen schöpfen

müssen. «Bei besonders gefährlichen Produkten müssen schon schwache

Hinweise genügen», sagte er. Für den TÜV hielt BGH-Anwältin Gunhi
ld
Schäfer dagegen, dabei sei es um ganz andere Sachverhalte gegangen.
«Eine Pflichtverletzung liegt hier in keiner Weise vor.»