EU feilt an engerer militärischer Zusammenarbeit

Zwei Tage wollen Bundeskanzlerin Merkel und ihre Kollegen ab
Donnerstag die großen politischen Linien der Europäischen Union
abstecken. Die Stimmung ist gut. Doch wird es ganz ohne Streit nicht
gehen.

Brüssel (dpa) - Engere militärische Zusammenarbeit, ein klares
Bekenntnis zu mehr Klimaschutz und fairem Handel: Die Europäische
Union will sich bei ihrem Gipfel in Brüssel als handlungsfähiger
globaler Spieler profilieren - und geht weiter auf Distanz zu
US-Präsident Donald Trump. Erwartet wird von dem Treffen am
Donnerstag und Freitag auch eine Verlängerung der in der Krimkrise
verhängten Sanktionen gegen Russland. Uneins bleiben die EU-Länder
aber in der Flüchtlingspolitik. Die Verteilung von EU-Agenturen nach
dem Brexit sät neue Zwietracht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen aus den übrigen
EU-Ländern beginnen ihre Beratungen am Donnerstagnachmittag. Nach dem
Wahlsieg des französischen Reformers Emmanuel Macron und neuen
Bekenntnissen zur deutsch-französischen Zusammenarbeit ist die
Stimmung in der EU besser als noch vor einigen Monaten. Auch bessere
Wachstumszahlen stiften Zuversicht. «Wir erleben die Rückkehr zu
einer EU, die eine Lösung bietet - und nicht ein Problem», erklärte
Gipfelchef Donald Tusk am Mittwoch.

Ein Entwurf der Gipfel-Erklärung, der der Deutschen Presse-Agentur
vorliegt, betont vor allem den Einsatz für den Schutz der Bürger.
Dazu soll die gemeinsame Verteidigungspolitik weiter entwickelt
werden. Der Gipfel will sich unter anderem hinter Vorschläge der
EU-Kommission stellen, einen neuen Fonds zur Entwicklung von
Rüstungsprojekten zu schaffen.

Auch Deutschland sieht die Sicherheits- und Verteidigungspolitik als
Topthema des Gipfels, wie es aus Berliner Regierungskreisen hieß.
Zudem erhofft man sich ein klares Bekenntnis zum Pariser
Klimaabkommen, das US-Präsident Trump kürzlich aufgekündigt hat. Beim

G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg wird das erneut Thema - und
Kanzlerin Merkel erhofft sich Rückenwind von der EU.

Eine Debatte über die umstrittene Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2
stehe «nicht auf der Tagesordnung», hieß es aus Berlin. Dennoch
rechnen etliche EU-Diplomaten damit, dass Merkel Protest gegen das
jüngste Vorgehen der EU-Kommission anmelden könnte. Die Brüsseler
Behörde sieht das von Deutschland gewünschte Projekt sehr skeptisch
und will zunächst mit Russland einen Rechtsrahmen verhandeln. Dazu
bräuchte sie ein Mandat der EU-Länder.

Konfliktpotenzial steckt auch in der Frage, wohin die bisher in
London beheimaten EU-Behörden EMA (Arzneimittel) und EBA
(Bankenaufsicht) nach dem Brexit ziehen sollen. Fast alle der 27
bleibenden EU-Staaten wollen die Agenturen für sich, da sie Prestige
und die Ansiedlung gut bezahlter Mitarbeiter bedeuten. Gesucht wird
ein konsensfähiges Auswahlverfahren, um bis Ende des Jahres neue
Standorte festzulegen.

Nur am Rande thematisiert werden wohl die EU-Austrittsverhandlungen
mit Großbritannien. Die britische Premierministerin Theresa May kommt
und will sich dazu äußern.

Ein gutes Jahr nach der großen Flüchtlingskrise sucht die EU immer
noch nach einer tragfähigen gemeinsamen Linie. Die interne Verteilung
von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland bleibt Zankapfel, unter
anderem Ungarn und Polen sperren sich weiter dagegen. Ratspräsident
Tusk forderte mehr Anstrengungen gegen die Migration über das
Mittelmeer und mehr Geld zur Stärkung der Küstenwache Libyens, von wo
die meisten Menschen aufbrechen.

Die Zahl der Ankünfte in Italien sei im Vergleich zum vorigen Jahr um
26 Prozent gestiegen und 1900 Menschen hätten bereits auf See ihr
Leben verloren, erklärte Tusk. Erste Erfolge gegen Schlepperbanden
seien «ganz klar zu wenig», meinte Tusk.