Transparenzoffensive der Pharma-Industrie schwächelt

Vor einem Jahr wollte die Pharmaindustrie mit mehr Transparenz gegen
die lästigen Korruptionsvorwürfe vorgehen. Viele Ärzte machten mit.
Doch viele sehen sich nun am Pranger.

Berlin (dpa) - Schon nach einem Jahr hat die Transparenzoffensive der
Pharma-Industrie über umstrittene Zuwendungen an Ärzte einen herben
Rückschlag erlitten. Die Zustimmungsquote der Ärztinnen und Ärzte zur

namentlichen Veröffentlichung dieser Zuwendungen sei von rund einem
Drittel im Vorjahr auf rund ein Viertel in diesem Jahr gesunken,
erklärte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes der Forschenden
Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer, am Mittwoch in Berlin.

Nach Schätzung des vfa und des Vereins «Freiwillige Selbstkontrolle
für die Arzneimittelindustrie» (FSA) umfassten die Leistungen von
Pharma-Unternehmen an Ärzte sowie weitere Fachkreise und
Institutionen der Medizin 2016 rund 562 Millionen Euro, gut zwei
Prozent weniger als im Vorjahr. Davon entfielen etwa 356 Millionen
Euro auf klinische Studien und die nach wie vor umstrittenen
Anwendungsbeobachtungen an Patienten. Rund 105 Millionen Euro flossen
in den Bereich Fortbildung und Vorträge und etwa 101 Millionen Euro
in die Unterstützung von Veranstaltungen und Institutionen.

Fischer führte die schwindende Bereitschaft der Ärzte zu mehr
Transparenz vor allem darauf zurück, dass diejenigen, die diesen Weg
gegangen seien, an den Pranger gestellt worden seien. Sie
unterstrich, die Transparenz-Debatte sei nötig, «um sachlich darüber

zu diskutieren, was gute Forschung und was gute Fortbildung koste und
wie das finanziert werden solle. Der Verband halte am eingeschlagenen
Weg fest. Die Öffentlichkeit solle nachvollziehen können, wie sich
die Zusammenarbeit von Unternehmen und Medizinern gestalte und
welchem Zweck sie diene.

Wenige wüssten, dass Ärzte eine wichtige Funktion bei der Entwicklung
neuer Arzneimittel hätten. Sie führten in Schwerpunktpraxen und in
Kliniken Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten
durch. Für ihren nicht unerheblichen Aufwand erhielten Ärzte und
Kliniken Geld der Unternehmen. 54 Mitgliedsunternehmen des FSA und
des vfa haben 2016 erstmals den Transparenzkodex umgesetzt. Sie
decken rund 75 Prozent des deutschen Pharmamarktes ab.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte wiederholt, dass
die umstrittenen Anwendungsstudien nicht scharf genug kontrolliert
würden. Stiftungsvorstand Eugen Brysch verlangte, die Patienten
müssten vorab informiert werden und selbst darüber entscheiden
können, ob sie an einer Anwendungsstudie teilnehmen wollen. Solange
Ärzte von der Pharmaindustrie Prämien für Anwendungsbeobachtungen mit

bestimmten Medikamenten erhalten, sei zu bezweifeln, dass immer das
bestmögliche Medikament verordnet werde. Auch in SPD und Union gibt
es kritische Stimmen gegenüber diesen Studien.