Ernüchternde Bilanz zum Thema Gleichstellung: Es bleiben Lücken Von Werner Herpell, dpa

Gleiche Chancen und Lebensbedingungen für Männer und Frauen - so will
es das Grundgesetz. Auch wenn manches in dieser Legislaturperiode
besser geworden ist, bleibt noch viel zu tun. Bei Gehältern, Renten
und unbezahlter Arbeit klaffen noch Lücken.

Berlin (dpa) - Nach vier Jahren Schwarz-Rot fällt die Bilanz bei der
Gleichstellung von Frauen mit Männern aus der Sicht von Experten und
Regierung ziemlich ernüchternd aus. «Bei der Verteilung von
Belastungen und Chancen zwischen den Geschlechtern geht es in unserer
Gesellschaft immer noch ungerecht zu», sagte Bundesfamilienministerin
Katarina Barley (SPD) am Mittwoch zum neuen Gleichstellungsbericht.
«Frauen arbeiten oft mehr und bekommen dafür weniger.»

So leisteten Frauen für Kinder, Haushalt, Pflege und Ehrenamt täglich
über 50 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer, heißt es in dem
bereits Anfang März vorgestellten Sachverständigen-Gutachten, auf dem
der nun vom Kabinett verabschiedete Bericht basiert. Demnach bringen
Frauen pro Tag 87 Minuten mehr Zeit für diese unbezahlte Arbeit auf
als Männer. Zur Schließung der als «Gender Care Gap» bezeichneten
Lücke von 52,4 Prozent fordern die Experten, auch Männern zu
ermöglichen, mehr private Sorgearbeit zu leisten.

Die Bundesregierung stellt einmal pro Legislaturperiode ihren
Gleichstellungsbericht vor. Es geht darum, inwieweit die im
Grundgesetz geforderte Gleichstellung der Geschlechter in Bildung und
Erwerbsleben durchgesetzt ist.

In ihrer Stellungnahme schließt sich die Regierung der
Sachverständigen-Analyse weitgehend an und räumt ein: «Die
statistisch nachweisbaren Unterschiede in der Lebensrealität von
Frauen und Männern sind ein Indiz dafür, dass Gleichstellung im Sinne
verwirklichter Lebensplanungen noch nicht erreicht ist.»
Verbesserungen könnten «zum Beispiel die Aufwertung sozialer Berufe
und die Schaffung weiterer Spielräume zugunsten von Familien für mehr
Zeitsouveränität» bringen.

Barley bedauerte im ZDF: «Frauen verdienen immer noch weniger als
Männer, in den Berufen, die sie wählen.» Diese Lohnlücke («Gender
Pay
Gap») beim durchschnittlichen Bruttostundenverdienst beträgt in
Deutschland 21 Prozent (23 Prozent im Westen inklusive Berlin, 8
Prozent im Osten). Zudem gibt es dem Bericht zufolge eine Rentenlücke
(«Gender Pension Gap»): 2015 erhielten Frauen in Deutschland um 53
Prozent geringere Ruhestandsbezüge als Männer.

Die Ministerin betonte am Mittwoch aber auch, dass im Vergleich zum
ersten Gleichstellungsbericht von 2011 «bereits wichtige Impulse
gesetzt» worden seien. So profitierten von der Einführung des
allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns mehrheitlich Frauen in niedrig
entlohnten Dienstleistungsbereichen und in geringfügiger
Beschäftigung. «Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld
und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der
Familienpflegezeit wurden neue Möglichkeiten zur partnerschaftlichen
Arbeitsteilung und zur dauerhaften eigenständigen Existenzsicherung
geschaffen.»

«Gleichstellung ist ein Marathonlauf, das ist kein Sprint», sagte
Barley - seit einigen Wochen Nachfolgerin von Martina Schwesig (SPD)
im Familien- und Frauenministerium - dem ZDF-«Morgenmagazin». Es gehe
nicht um Verordnungen. «Die Menschen müssen entscheiden, wie sie
leben wollen. Die Politik muss aber die Rahmenbedingungen dafür
schaffen, damit jeder auch wirklich diese Entscheidung für sich
treffen kann.»

Die Sachverständigenkommission hatte ihr Gutachten im Januar an
Schwesig übergeben, die es Anfang März der Öffentlichkeit
präsentierte. Sie warf dem Koalitionspartner CDU/CSU damals vor, die
gemeinsam von ihr und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU)
vorgelegte Reform der Pflegeberufe zu blockieren. Darin ist
vorgesehen, künftig Altenpflege und Krankenpflege gleichzustellen und
gleich zu bezahlen. Dies würde ein Aufwertung der Altenpflege
bedeuten, in der besonders viele Frauen tätig sind.