Wenn der Sandmann nicht wirkt: Hilfe aus dem Kinderschlaflabor Von Dörthe Hein, dpa

«Schlaf, Kindlein schlaf» - eine Geschichte oder ein Lied reichen
nicht immer. Wenn Kindern nachts der Atem wegbleibt, sie nicht
durchschlafen oder tagsüber müde sind, kann eine Nacht im Schlaflabor
weiterhelfen.

Magdeburg (dpa) - Helena ist zehn Wochen alt. Ihre Eltern überwachen
sie 24 Stunden am Tag. Der Grund: Mitten im Schlaf schnappt das Baby
immer wieder nach Luft. Die Eltern bekamen es so sehr mit der Angst
zu tun, dass sie nach allen medizinischen Möglichkeiten suchten.
Kinderärzte fanden keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme. Die
Mutter, Julia Kudlaszyk, schrieb direkt die Leiterin des
Kinderschlaflabors am Universitätsklinikum Magdeburg, Uta Beyer, an.
Die kann sie nun beruhigen - nach einer Nacht im Kinderschlaflabor.

Wie rund 300 Kindern pro Jahr werden auch der kleinen Helena
Elektroden an den Kopf geklebt. Ein Netz darüber hält diese zusammen
und leitet die vielen Kabel zu den Aufzeichnungsgeräten. Zwei Kameras
und ein Mikrofon zeichnen zusätzlich Helenas Schlaf auf. Dass das
Zimmer kindgerecht eingerichtet ist mit Büchern, Puppen und
Plüschtieren und Fensterbildern interessiert Helena noch nicht.

Größere Kinder aber schon - schließlich kommen hierher alle
Altersklassen vom Frühgeborenen bis zum 17-Jährigen. Sie leiden unter
Atemstörungen, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit oder auch nächtliche
n
Krampfanfällen. Jedes Problem für sich kann das Leben einer gesamten
Familie auf den Kopf stellen, sagt Beyer vor dem «Tag des Schlafes»
am Mittwoch (21.Juni). Sie arbeitet seit fast 20 Jahren im
Schlaflabor.

Das Besondere an dem Kinderschlaflabor ist laut Beyer, dass die
medizinischen Disziplinen nicht so stark getrennt sind wie in der
Erwachsenen-Medizin. «Wir sind auf eine enge Zusammenarbeit
angewiesen mit vielen Fachrichtungen.»

Bundesweit gibt es laut Deutscher Gesellschaft für Schlafforschung
und Schlafmedizin (DGSM) 314 akkreditierte Schlaflabore, darunter 28
auf Kinder spezialisierte. Jährlich führten sie rund 350 000
Schlaflaboruntersuchungen durch.

«Je tiefer, desto erholsamer» - dieser Grundsatz für einen gesunden
Schlaf findet sich auf einem Plakat auf dem Flur des Schlaflabors.
Lustige Schäfchen zeigen, welche Stadien vom Traumschlaf bis zum
Tiefschlaf es gibt. Wie gut die kleinen Patienten tatsächlich
schlafen, wie es um ihre Augenbewegungen steht, um den
Sauerstoffgehalt im Blut, Herzfrequenz und Atmung kann Kinderärztin
und Somnologin Uta Beyer am nächsten Morgen auf einem Monitor sehen.
Unterschiedliche bunte Linien zeigen die Veränderungen innerhalb der
Nacht. Beyer kann daraus ableiten, welche Probleme vorliegen.

Bei Baby Helena hat die Oberärztin nichts gefunden. «Sie hat sogar
länger geschlafen als zu Hause», sagt die Mutter sichtbar glücklich.

Sie selbst habe übrigens nach langer Zeit auch mal wieder
ausgeschlafen. Helena meckert noch ein bisschen auf ihrer Decke,
bekommt ihren Nuckel - und schläft wieder ein. Ihre 32-jährige Mutter
hat in einem kleinen Zimmer auf der anderen Flurseite übernachtet.

Schlafexpertin Beyer kennt Eltern, die gern direkt neben ihrem Kind
im Labor schlafen würden, das aber würde für zu viel Anspannung und
Unruhe sorgen. «So kommen wir nicht zu Ergebnissen», sagt sie. In der
Nähe der Kinder bleibt stets eine versierte Krankenschwester, die
auch schon mal Schlafwandler bewacht.

«Das Verkabeln ist für die Schwestern Routine», berichtet Beyer. Fü
r
die Kinder sei das natürlich ungewohnt, tue aber nicht weh. Die
Schwestern gingen sehr auf die Kinder und ihre Ängste ein. «Es ist
nicht selten, dass erst der Teddy oder die Lieblingspuppe verkabelt
wird», sagt die Ärztin. Zum Schlafen kann die Tür dann auch mal einen

Spalt breit offen bleiben. Eine Nacht im Schlaflabor reicht in der
Regel. Nach der Auswertung der Werte und der Besprechung können die
Patienten wieder nach Hause fahren.

Manche bekommen ein Überwachungsgerät mit, das sie nachts nutzen, um
gefährliche Atemaussetzer zu erkennen. Ihre Eltern werden geschult,
um im Notfall Erste Hilfe leisten zu können. In einigen Fällen werden
Fehlbildungen deutlich oder Tumore. Bei anderen bringt der Aufenthalt
im Schlaflabor ganz andere Erkenntnisse. «Wir sehen hier manchmal,
welche Rolle Handys, Computer oder Fernseher so spielen», so Beyer.

Es gebe Eltern, die ihre Kinder um 19 Uhr ins Bett schicken und
annehmen, das Kind schlafe dann. Wenn die Leistungen in der Schule
abnehmen, das Kind tagsüber müde und nicht belastbar ist, würden
Ärzte gefragt - und auch das Schlaflabor aufgesucht. Das Handy wird
den Kindern dort erstmal nicht weggenommen, und so sehen Schwestern
und Ärzte, wann das Kind tatsächlich einschläft und was bis dahin
passiert. Sie sei erstaunt, wie weit manche Eltern von ihren Kindern
entfernt seien, sagt Beyer. Vielfach habe Schlaflaborarbeit eben auch
den wichtigen Aspekt der Familienberatung. In immerhin rund 30
Prozent der Fälle gebe es keine organischen Probleme.