Krankenkassen: Finanzausgleich im Gesundheitssystem reformieren

Der Finanzausgleich unter den Krankenkassen ist seit Jahren ein
Ärgernis. Er sei ungerecht und verleite zum Mauscheln. Spätestens
Ende September soll dazu ein Gutachten vorliegen.

Berlin (dpa) - Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen haben
von der künftigen Bundesregierung eine rasche Reform des
Finanzausgleichs zwischen den gesetzlichen Krankenkassen gefordert.
Der Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), der die Verteilung der
Gelder aus dem Gesundheitsfonds an die einzelnen Kassen an der
Schwere der Erkrankungen ihrer Versicherten orientiert, «erfüllt
derzeit nicht sein Ziel, gleiche Chancen im Wettbewerb um eine gute
Gesundheitsversorgung sicherzustellen», kritisierte das
Kassen-Bündnis am Montag.

Die Kassen beklagen seit Jahren, dass die Allgemeinen
Ortskrankenkassen (AOKen) durch den derzeitigen Strukturausgleich
außerordentlich begünstigt würden. Sie heben hervor, dass die
heutigen Unterschiede bei den Zusatzbeitragssätzen, die alleine die
Kassenmitglieder zahlen, maßgeblich auf Verzerrungen durch den
Finanzausgleich zurückzuführen seien.

Der AOK-Bundesverband wies diese Darstellungen zurück. Der
Vorstandsvorsitzende Martin Litsch unterstrich, die finanzielle
Stabilität des AOK-Systems erkläre sich nicht über die Einnahme-,
sondern über die Ausgabenseite. Allein 2016 hätten die AOKen 1,1
Milliarden Euro weniger ausgegeben als die Konkurrenz.

Bevor die Wettbewerber gegen eine Bevorteilung der AOKen bei den
Zuweisungen protestierten, sollten sie erklären, warum ihr Anstieg
bei den Leistungsausgaben dauerhaft über dem Durchschnitt liege,
erklärte Litsch und fügte hinzu: «Der Morbi-RSA hat nicht das Ziel,
die Geschäftsergebnisse der Krankenkassen auszugleichen.» Im übrigen

gebe es bei allen Kassenarten Kassen mit unterdurchschnittlichen und
überdurchschnittlichen Zusatzbeiträgen.

Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen forderten die neue
Bundesregierung in ihrer Erklärung auf, gleich zu Beginn der neuen
Legislaturperiode geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Über- und
Unterdeckungen auszugleichen und die bestehenden
Wettbewerbsverzerrungen abzubauen. Der Erklärung haben sich den
Angaben zufolge 91 von derzeit 113 gesetzlichen Kassen angeschlossen.

Das Gesundheitsministerium hat bis 30. September ein Sondergutachten
in Auftrag gegeben, um die Wirkungen des Ausgleichsmechanismus zu
überprüfen. Nach dem letzten Jahresausgleich von 2015 betrug den
Angaben zufolge die Unterdeckung bei den Ersatzkassen 644 Millionen
Euro, bei den Betriebskrankenkassen 166 Millionen Euro und bei den
Innungskrankenkassen 240 Millionen Euro. Die AOKen konnten dagegen
eine Überdeckung von über einer Milliarde Euro ausweisen.

Das für die Kassenaufsicht zuständige Bundesversicherungsamt wies
indessen darauf hin, dass viele Verträge zwischen Krankenkassen und
Ärzten zur besseren Dokumentation von Patientendiagnosen immer noch
Anreize für Manipulationen böten. Hintergrund dieser Überprüfung
waren Berichte aus dem vergangenen Jahr über Mauscheleien bei der
Dokumentation von Diagnosen zugunsten der Kassen. Die AOKen sind
nicht der Bundesaufsicht unterstellt, sondern der der Länder.