Ehekrise wohl Auslöser für Familiendrama - Kritik am Jugendamt Von Andreas Hummel, dpa

Einen Tag nach der Bluttat im südthüringischen Altenfeld bleibt die
Frage: Warum mussten die beiden Kinder sterben? Kritik gibt es auch
am Jugendamt. Die Behörde hatte die Jungs in der Obhut des
gewalttätigen Mannes gelassen.

Altenfeld (dpa) - Wie kann ein Vater seine drei kleinen Söhne so
brutal niederstechen? Einen Tag nach dem Familiendrama mit zwei
toten Kindern in Altenfeld (Ilm-Kreis) herrscht Bestürzung - nicht
nur in dem kleinen Ort in Südthüringen. Für die Ermittler zeichnet
sich inzwischen ein Motiv ab. Die Mutter habe sich von ihrem Mann
trennen und die Kinder mitnehmen wollen, erklärte Staatsanwältin
Anette Schmitt-ter Hell am Freitag mit Verweis auf Zeugaussagen aus
dem Umfeld der Familie.

Zwei Tage vor der Bluttat soll der Mann die Frau krankenhausreif
geprügelt haben. Noch vor ihrer Rückkehr aus einer Klinik soll sie
ihm gesagt haben, dass sie ihn verlassen wolle. «Die Frage steht im
Raum, warum die Kinder bei ihm gelassen wurden, obwohl er seine Frau
ins Krankenhaus geprügelt hat», sagt Altenfelds Bürgermeister Peter
Grimm. In der Gemeinde herrscht Fassungslosigkeit über die Bluttat,
in deren Folge zwei ein- und vierjährige Jungen starben, ein weiterer
lebensgefährlich verletzt wurde.

Immerhin ist der Gesundheitszustand des Dreijährigen nach einer
Operation den Angaben zufolge stabil. Vor dem Haus stehen einige
Kerzen und Blumen als Zeichen der Trauer. Laut Grimm soll am
Sonntagvormittag die Kirche offen stehen für alle, die trauern und
Trost suchen. Laut Landratsamt wurde auch ein Traumatherapeut
organisiert, um Kindern und Eltern des Kindergartens zu helfen, das
schreckliche Geschehen zu verarbeiten.

Das Jugendamt vermutet, dass der Mann nach der Trennungsankündigung
seiner 29 Jahre alten Frau die Kinder mit sich in den Tod reißen
wollte. Er hatte sich bei der Attacke auf seine Kinder auch selbst
verletzt. Die Behörde verteidigte zugleich ihre Entscheidung, die
Kinder in der Obhut des Vaters belassen zu haben.

Laut Jugendamt und Staatsanwaltschaft war die Polizei erst am
Dienstag wegen häuslicher Gewalt in die Familie gerufen worden. Für
das von der Polizei informierte Jugendamt habe es aber keine
Anzeichen gegeben, dass der Vater auch gegen seine Kinder gewalttätig
sei, teilte das Landratsamt mit. Die Situation habe sich beruhigt und
auch auf den «ausdrücklichen Wunsch der Mutter» hin seien die Kinder

daheim beim Vater gelassen worden.

Die Familie war den Angaben zufolge dem Jugendamt seit Dezember 2016
bekannt. Damals sei es um Hilfe bei der Suche nach einer Betreuung
für die Kinder gegangen, da der Vater wieder arbeiten wollte. Er
hatte sich demnach wegen einer Erkrankung seiner Frau damals intensiv
um die Kinder gekümmert.

«Bei dieser Kontaktaufnahme ging es zu keinem Zeitpunkt um häusliche
Gewalt oder Kindeswohlgefährdung», hieß es. «Die häusliche Situat
ion
war nach unseren Erkenntnissen geordnet, es bestanden keinerlei
Auffälligkeiten.» Erst im Mai habe die Behörde von Konflikten der
Eheleute erfahren und das Gespräch gesucht. Es sei kein Anlass für
weitere Maßnahmen gesehen worden.

Am Freitag wurden die beiden Kinderleichen obduziert. Demnach sind
die beiden ein und vier Jahre alten Jungen verblutet. Ursache seien
mehrere Messerstiche, sagte Schmitt-ter Hell. Zugestochen hatte der
27 Jahre alte Deutsche offensichtlich mit einem Haushaltsmesser.
Gegen ihn wurde inzwischen Haftbefehl wegen zweifachen Mordes,
Mordversuch und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Da er wegen
eigener Verletzungen noch nicht verlegt werden könne, liege er
vorerst weiter im Krankenhaus, werde dort aber bewacht. Bei der
Verkündung des Haftbefehls habe er zum Tatgeschehen geschwiegen.