Der letzte Akt des großen Griechenland-Dramas Von Takis Tsafos und Verena Schmitt-Roschmann, dpa

Es ist schwer zu glauben - zu viel hat man schon erlebt in dem ewigen
Drama um Griechenland und seine Schulden. Aber mancher sieht nun
tatsächlich Anlass zur Hoffnung.

Luxemburg/Athen (dpa) - Nachdenklich saß Wolfgang Schäuble am späten

Donnerstagabend im deutschen Raum des sterilen EU-Tagungszentrums in
Luxemburg. Er wartete auf ein Fernsehinterview, das er zugesagt
hatte. Saß einen Moment still, in sich gekehrt. Zufrieden mit dem
gerade erreichten Kompromiss über die Griechenland-Hilfen? Eher
erschöpft, sagte der Bundesfinanzminister.

Erschöpft sind wohl alle. Das liegt nicht so sehr an diesem Abend in
Luxemburg, an dem sich die Euro-Finanzminister dann doch erstaunlich
schnell auf die Freigabe von weiteren 8,5 Milliarden Euro für das
überschuldete Griechenland einigten und das I-Tüpfelchen auf vorher
schon kunstvoll gedrechselte Kompromissformeln setzten. Erschöpft
sind alle von der seit sieben Jahren währenden Dauerkrise, von den
ewigen Wendungen und Blockaden, den politischen Querelen der
vergangenen Monate, den unverdaulichen Details zwischen
Primärüberschüssen und Schuldentragfähigkeitsanalysen.

Aber, das ist die Botschaft nach diesem weiteren Kraftakt, es könnte
nun wirklich der Beginn der Wende sein. Für das von langen Sparrunden
gezeichnete Griechenland. Und für die Eurozone insgesamt, die 2015 so
kurz vor der Spaltung stand und die sich nun wieder zusammenrauft.
Und so besann sich am Ende auch Schäuble auf ein positives Fazit:
«Ich glaube, wir haben insgesamt eine vernünftige Linie erreicht»,
sagte der CDU-Politiker. «Jetzt hat Griechenland Ruhe, die
Finanzmärkte auch.»

Ruhe ist noch nicht ganz. Erstens kam am Freitag - es ist immerhin
Wahlkampf - aus Berlin sofort Kritik an dem in Luxemburg erzielten
Kompromiss. Und zweitens ist der nicht viel mehr als eine Vertagung
des Streits. Man hat den Internationalen Währungsfonds für das bisher
nur von Europa getragene Griechenland-Programm gewonnen. Dabei hat
der Fonds offiziell bestätigt, dass die griechischen Sparprogramme
und Reformen das Land auf den Weg zur Konsolidierung gebracht haben.
Aber der IWF zahlt trotzdem vorerst kein Geld an Griechenland aus.

Denn der Fonds ist nach wie vor überzeugt, dass das Krisenland die
auf gigantische 180 Prozent der Wirtschaftsleistung angewachsene
Schuldenlast niemals alleine wird abtragen können. Schäuble will
jedoch den Reformdruck aufrecht erhalten und, wenn überhaupt, so
wenig nachgeben wie möglich. Geredet werden soll darüber erst 2018,
das hat auch die Eurogruppe bekräftigt. Die Regierung in Athen, die
zuletzt immer nachdrücklicher Hilfe beim Abtragen des kolossalen
Schuldenbergs verlangte, kam hier kaum voran.

Trotzdem ist der Luxemburger Beschluss für Ministerpräsident Alexis
Tsipras politisch Gold wert. Der Linke jubelte am Freitag: «Wir haben
den entscheidenden Schritt für den Ausweg des Landes aus der
Wirtschaftskrise gemacht.» Nebenbei bekommt er auch politisch Ruhe,
vorgezogene Neuwahlen sind wohl erstmal vom Tisch.

Finanzminister Euklid Tsakalotos sprach vom «Licht am Ende des
Tunnels». Wirtschaftsminister Dimitris Papadimitriou lobte im
Staatsfernsehen: «Jetzt kann Griechenlands Wirtschaft wieder wachsen
und Arbeitsplätze schaffen.» Und die regierungsnahe linke Zeitung «I

Avgi» titelte: «Der Anfang vom Ende für das griechische Drama». Ein

hochrangiges Regierungsmitglied sagte der Deutschen Presse-Agentur,
dieser Beschluss ebne dem Land den Weg zurück an die Kapitalmärkte.
Also raus aus den seit 2010 laufenden Rettungsaktionen und
Hilfsprogrammen.

Das sieht man bei der Eurogruppe genauso. «Da dies das dritte
(Hilfspaket) ist, wird es hoffentlich auch das letzte sein», sagte
Schäuble. Und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem betonte: «Wir gehen
jetzt in das letzte Jahr des Hilfsprogramms für Griechenland. Wir
werden eine Exit-Strategie vorbereiten, um Griechenland darauf
vorzubereiten, im Laufe des nächsten Jahres wieder auf eigenen Füßen

zu stehen.»

Viele Griechen sehnen das herbei. «Hoffen wir, dass die positive
Nachricht der Einigung (...) ein besseres Klima für Investitionen
schaffen wird», erklärte der Präsident der Handelskammer der
griechischen Hafenstadt Piräus, Vasilis Korkidis. Klare Verhältnisse
sind auch für viele Hoteliers wichtig, die derzeit einen Urlauber-
Boom erleben. «Alles wird besser laufen, wenn dieses Hick-Hack mit
dem Hilfsprogramm beendet ist», sagte Hotelier Dimitris Skalidis.

Doch wollen nicht alle mitjubeln. «Unsere Renten sind mehrmals
gekürzt worden, nächstes Jahr stehen neue Kürzungen an», sagte
Rentnerin Ioanna Kimpezi. Mittlerweile erhält die ehemalige
Apothekerin statt 2400 Euro im Jahr 2011 nur noch 1300 Euro im Monat.
Ihre Rente soll 2019 abermals um 18 Prozent gekürzt werden. «Ich habe
aber immer eingezahlt», sagte sie verärgert. «Wo ist mein Geld
geblieben?» Die Frage bleibt - wohl auch nach Ende des großen Dramas.