Virtueller Küstenspaziergang macht Zahnbehandlung angenehmer

Der Besuch beim Zahnarzt ist für viele Menschen blanker Horror.
Allein das Bohrgeräusch führt zu Fluchtreflexen. Britische Forscher
schlagen deshalb während der Behandlung einen virtuellen Ausflug vor.

Plymouth (dpa) - Ein Ausflug an einen virtuellen Strand kann beim
Zahnarzt von einer schmerzhaften Behandlung ablenken. Patienten seien
weniger gestresst und empfänden weniger Schmerz, schreiben Forscher
um Karin Tanja-Dijkstra von der britischen Universität Plymouth in
der Fachzeitschrift «Environment and Behaviour». Sie hatten Probanden
während einer Zahnbehandlung eine spezielle Video-Brille aufgesetzt,
mit der sie den Eindruck haben, am Meer spazieren zu gehen. Ein
deutscher Experte sieht bei der Methode aber durchaus Probleme.

Streifzüge durch virtuelle Welten können den britischen Forschern
zufolge Depressionen lindern oder Suchtkrankheiten heilen - den
Anwendungsbereichen seien kaum Grenzen gesetzt. Der Grundgedanke
hinter den Therapien ist stets derselbe: Patienten in eine andere
Realität einbinden und durch Ablenkung ihre Angst und andere
Beschwerden verringern.

Um Schmerzen und Stress optimal zu reduzieren, muss die virtuelle
Lebenswelt naturbelassen und maritim sein - so lautete die Vermutung
der britischen Wissenschaftler. Sie nahmen insgesamt 70
Zahnarzt-Patienten - eingeteilt in drei Gruppen - genauer unter die
Lupe.

Eine Gruppe durfte während der Behandlung mit Hilfe einer
Video-Brille an der Küste von Wembury im Süden von Plymouth sein. Die
Probanden konnten dabei selbst steuern, wohin sie in der virtuellen
Realität gehen. Die zweite Gruppe erkundete auf ähnliche Weise eine
städtische Umgebung. Eine dritte Gruppe musste ohne virtuelle
Realität auskommen. Die Behandlung, die eine Füllung, die Entfernung
eines Zahnes oder beides umfasste, dauerte nicht mehr als 30 Minuten,
wobei alle Teilnehmer örtlich betäubt wurden.

Nach dem Eingriff mussten die Patienten den Schmerz und den Stress,
den sie während der Behandlung hatten, bewerten. Das Resultat:
Diejenigen, die am Strand entlangspazierten, waren weniger gestresst
und hatten weniger Schmerzen als die Probanden mit virtuellem
Rundgang in der Stadt und als die Patienten ohne Sonderbehandlung.

Auch eine Woche nach dem Eingriff erinnerten sich die
Studienteilnehmer, die per Videobrille an den Strand geschickt
wurden, positiver an ihren Zahnarztbesuch zurück: Sie stuften ihren
Schmerz viel niedriger ein. Zudem wurde die Küstenregion als
attraktiver, erholsamer und stärkender eingeschätzt als die urbane
Umgebung.

«Es reicht nicht aus, den Patienten nur abzulenken», sagt Koautorin
Sabine Stahl. «Vielmehr muss die Umgebung einladend und entspannend
sein.» Die Anwendung von sogenannten Virtual-Reality-Technologien hat
laut den Forschern entscheidende Vorteile: Es tauchen weniger
hygienebezogene Probleme auf als beispielsweise bei echten
Zimmerpflanzen. Außerdem kann sich der Patient auch dann in eine
Naturkulisse versetzen, wenn er im Liegen behandelt wird.

«Vom Showeffekt her und für die Patientenbindung finde ich das sehr
interessant», sagt Roland Frankenberger, der im Vorstand der
Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sitzt.
Allerdings würde die Kommunikation zwischen Arzt und Patient darunter
leiden. «Wenn der Patient den Kopf drehen oder strecken soll oder
wenn es gleich wehtut - darüber muss er vom Arzt informiert werden.
Das klappt nicht, wenn er eine Virtual Reality Brille auf hat, auch
nicht dann wenn er mit Kopfhörern Musik hört», sagt Frankenberger,
der nicht an der Studie beteiligt war.

Auch das Thema Desinfektion und Hygiene sei bei einer Videobrille
ein Problem. «Meine Lieblingsidee zur Ablenkung sind beleuchtete
Decken: Das ist genau so, wie wenn man auf einer Blumenwiese liegt
und in den Himmel schaut.»