Bundesaufsicht: Viele Kassenverträge für Arzt-Diagnosen rechtswidrig

Je schlimmer die Krankheit, um so mehr Geld bekommt die Krankenkasse
für ihren Versicherten aus dem Gesundheitsfonds. Dieser Mechanismus
reizt zum Mauscheln. Der Bund geht nun dagegen vor. Doch wo bleiben
die Länder?

Berlin (dpa) - Viele Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten zur
besseren Dokumentation von Patientendiagnosen bieten nach Angaben des
Bundesversicherungsamtes immer noch Anreize für Manipulationen.
Nahezu alle diese Verträge seien rechtswidrig, zitierte die
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Mittwoch) die zuständige
Aufsichtsbehörde. Diese habe inzwischen die betreffenden Kassen
aufgefordert, rechtswidrige Vertragsinhalte unverzüglich zu
beseitigen oder die Verträge zu kündigen.

Hintergrund dieser Überprüfung durch das Bundesversicherungsamt waren
Berichte aus dem vergangenen Jahr über Mauscheleien bei der
Dokumentation von Diagnosen zugunsten der Kassen. Denn die Zahlungen
aus dem Gesundheitsfonds an die Krankenkassen nach dem sogenannten
Risikostrukturausgleich steigen mit der Schwere der Erkrankungen
ihrer Versicherten. Daher haben die Kassen ein Interesse daran, dass
Ärzte die Diagnosecodes entsprechend aufschreiben. Viele Kassen
hatten deshalb eigens dafür Verträge geschlossen.

Die Politik hatte diese Form des Wettbewerbs unterbunden und
Geldzahlungen für das Dokumentieren und nachträgliches Ändern von
Diagnosen untersagt. Daraufhin habe sich die Aufsichtsbehörde einen
Überblick über die bestehenden sogenannten Betreuungsstrukturverträge

bundesweit tätiger Krankenkassen mit den Kassenärzten verschafft und
dabei bisher von 54 solcher Verträge erfahren, berichtete die
Zeitung.

Der Vorwurf der Mauscheleien bei der Dokumentation zielte auch auf
die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOKen). Diese sind allerdings
nicht der Bundesaufsicht unterstellt, sondern der der Länder. Der
Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte
der dpa: «Selbst nach der Gesetzesverschärfung im April haben die
Krankenkassen und Ärzte kaltschnäuzig getrickst.» Brysch plädierte

bei Verstößen für Zwangsgelder in Millionenhöhe. Nun müssten die

Aufsichtsbehörden der Länder erklären, «ob sie die Allgemeinen
Ortskrankenkassen in gleicher Weise überprüft haben. Es kann nicht
sein, dass hier die Aufsicht im Tiefschlaf verharrt.»