Digitalgipfel: Telemedizin als Lebensretter auf der Intensivstation Von Peter Zschunke, dpa

Auf dem Digitalgipfel in Ludwigshafen dreht sich alles um die
Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Möglichkeiten scheinen
grenzenlos. Aber Datenschutz und ethische Fragen müssen geklärt sein.
Und die Medizin von morgen braucht auch noch schnellere Datennetze.

Ludwigshafen (dpa) - In einem Krankenhaus in Jülich liegt ein Patient
mit Blutvergiftung. Da schaut die Bundeskanzlerin vorbei und wünscht
über eine Kamera von Ludwigshafen aus gute Besserung. Angela Merkel
(CDU) informiert sich am Dienstag auf dem Digitalgipfel über die
Vernetzung im Gesundheitswesen. Dieses System der Telemedizin könne
Leben retten, erklärt ihr der Direktor der Klinik für Operative
Intensivmedizin in Aachen, Gernot Marx. Die Hilfe von zugeschalteten
Experten könne die Sterblichkeit von Patienten mit einer
Blutvergiftung (Sepsis) um mehr als 25 Prozent verringern. 

In der Live-Schaltung zeigt der Professor, wie die auf der
Intensivstation in Jülich erfassten Patientendaten ausgewertet
werden. «Pro Stunde fallen für einen Patienten 1000 Daten an»,
erklärt Marx, der auch Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Gesellschaft für Telemedizin ist. «Es ist unmöglich, das alles in
einem Krankenhaus vor Ort im Blick zu haben.» Mit dem System «Thalea»

können Experten der Uniklinik in Aachen ihren Kollegen in anderen
Krankenhäusern zur Seite stehen. «Wir sind über 24 Stunden jede
Sekunde bei dem Patienten.»

Zurzeit wird «Thalea» in einem Pilotprojekt erkundet. Wenn das System
bundesweit ausgerollt werde, gebe es auch neue Möglichkeiten, um
Therapien effizienter zu gestalten, sagt Marx. Bei jährlich mehr als
zwei Millionen Patienten auf Intensivstationen gebe es Unmengen von
anfallenden Daten, die gezielt und anonymisiert ausgewertet werden
könnten. «Dann können wir etwa bei einer Blutvergiftung sagen, ob ein

bestimmtes Medikament wirkt oder nicht», sagt Marx im Gespräch mit
der Deutschen Presse-Agentur. «Aber dafür brauchen wir eine klare
gesetzliche Grundlage.»

Die Entwicklung solcher Big-Data-Anwendungen stößt auf 
Datenschutzbedenken, auch wenn die Daten anonymisiert ausgewertet
werden. «Es wird eine Fülle neuer ethischer Fragen geben, die sich
erst jetzt durch die Qualität der Digitalisierung ergeben», sagt die
Geschäftsführerin der Initiative D21, Lena-Sophie Müller. Angesichts

zunehmender Interaktionen zwischen Mensch und Maschine sei eine
Debatte nötig, «wie wir das als Gesellschaft gestalten wollen». Als
Beispiel nennt sie Assistenzroboter in Pflegeheimen. 

Eine Hilfe für Demenzpatienten hat das Start-up «Spur» entwickelt.
Mit Hilfe von Bewegungssensoren und anderen Techniken kann dieses
System anzeigen, wenn der Mensch stürzt oder das Haus verlässt. Es
lässt sich in die Kleidung integrieren - solche «smart wearables»
liegen im Trend. «Software und Design sind weitgehend fertig, jetzt
brauchen wir Unterstützung für Produktion und Vermarktung, sagt die
Gründerin Julia Dankwerth, die an der Bauhaus-Universität in Weimar
an ihrer Doktorarbeit schreibt.        

Auch Bewohner auf dem Land können mit den Möglichkeiten der
Telemedizin auf hohem Niveau versorgt werden. «Die Menschen brauchen
keine Angst zu haben, dass sie auf dem Land keinen Arzt bekommen»,
sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, als
sie sich vor der Kanzlerin die Präsentationen zur Digitalisierung im
Gesundheitswesen anschaut. 

Die Chancen der Digitalisierung können nur genutzt werden, wenn
überall das schnelle Netz für die Verbreitung der Daten verfügbar
ist. Nicht nur auf die Bandbreite kommt es dabei an, also auf die
Menge der übertragenen Daten je Sekunde. Nötig sei der Aufbau
intelligenter Netze mit schnellen Reaktionszeiten, sagt
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Der Bund werde 20
Milliarden Euro bereitstellen, um bis 2023 den Aufbau von
Gigabit-Netzen zu unterstützen. 

Dabei wäre man gerade auf dem Land froh, die bis 2018 versprochenen
Anschlüsse mit einer Bandbreite von 50 Megabit pro Sekunde zu
bekommen. Zurzeit werde dieser Ausbau im ganzen Bundesgebiet
vorangetrieben, sagt die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike
Raab (SPD). «Wir geben Druck in die Pipeline und versuchen, das Ziel
zu erreichen.»