Homöopathen tagen in Leipzig - «Gesprächstherapie statt Heilkunde» Von Sabine Fuchs, dpa

Kügelchen statt Tablette. Homöopathie ist in Deutschland recht
verbreitet - trotz fehlender wissenschaftlicher Nachweise ihrer
Wirksamkeit. Gemeinsame Wege mit der Schulmedizin seien nötig, heißt
es vor einem Kongress in Leipzig.

Leipzig (dpa) - Beim Thema Homöopathie scheiden sich die Geister. Für
die einen ist sie Humbug, andere empfinden sie als letzte Hoffnung,
wenn von der Schulmedizin weniger Hilfe und Rat kommt als erwartet.
Monika Kölsch, praktizierende homöopathische Ärztin aus Leipzig, will

solche Gegensätze nicht gelten lassen. «Wir wollen über den
Tellerrand blicken und gemeinsam mit der konventionellen Medizin nach
Lösungen zum Wohle des Patienten suchen», sagt sie. Diesem Ziel diene
der 72. Homöopathische Weltärztekongress in Leipzig. Kölsch ist
Mitorganisatorin der Tagung vom 14. bis 17. Juni. Mehr als 1200 Gäste
aus 60 Ländern werden erwartet.

Similia similibus curentur - Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt -
ist für Homöopathen das Leitmotiv. Die verwendeten Substanzen werden
sehr stark verdünnt und meist als Tropfen, Tabletten oder Kügelchen
(Globuli) verabreicht. Dadurch sollen die Selbstheilungskräfte des
Körpers aktiviert werden. Gesicherte wissenschaftliche Grundlagen und
Nachweise fehlen. «Es gibt aus naturwissenschaftlicher Sicht keine
Erklärung, wie das Verfahren funktionieren kann», sagt Norbert Aust,
Mitbegründer des Informationsnetzwerks Homöopathie in Freiburg.

Die Konzentrationen der verabreichten Mittel seien viel zu klein, als
das sie wirken könnten. Die vermeintliche Wirkung beruhe rein auf der
Vorstellungskraft von Patienten und Therapeuten. Würde sich die
Homöopathie nicht als medikamentöse Heilkunde, sondern als spezielle
Form der Gesprächstherapie sehen, ginge er damit durchaus konform, so
Aust, der von Haus aus Ingenieur ist. «Homöopathen nehmen sich in der
Regel viel Zeit für ihre Patienten und Gespräche können durchaus
positive Effekte hervorrufen.»

Dann wäre aber auch klar, dass Homöopathie nicht zur Behandlung
schwerer Erkrankungen geeignet ist, sagt er. Erst kürzlich sorgte ein
Fall in Italien für Entsetzen: Ein Siebenjähriger aus Cagli in den
Marken starb an einer eigentlich leicht behandelbaren
Mittelohrentzündung, weil seine Eltern auf homöopathische Mittel
statt Antibiotika setzten - selbst dann noch, als es dem kleinen
Francesco über Tage immer schlechter ging.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) forderte erst im Mai,
dass die gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich keine
homöopathischen Leistungen finanzieren dürften. Es sei absurd, wie
viel Geld manche gesetzliche Versicherung für solche Kügelchen und
Tinkturen aus dem Fenster werfe, so KBV-Chef Andreas Gassen.

«Es ist noch nicht erwiesen, wie sie hilft, aber dass sie hilft, ist
belegt», hält Kölsch dagegen. Einer Analyse der Bertelsmann Stiftung

zufolge hätten 60 Prozent der Deutschen Erfahrungen mit Homöopathie.
Bei mehr als 80 Prozent der Patienten, die von Homöopathen behandelt
wurden, habe sich das Allgemeinbefinden und die seelische Verfassung
der Befragung nach gebessert.

Der Arzt und Moderator Eckart von Hirschhausen ist nicht überrascht
vom Anklang, den alternative Verfahren bei manchen Menschen finden.
«Wir treiben durch die ökonomisierte Medizin die Menschen geradezu
weg von der wissenschaftsbasierten Medizin», sagte er vor einiger
Zeit. «Weil Apparate und Eingriffe überbezahlt werden, Zuhören und
Zuwendung aber im Fallpauschalensystem nicht vorkommen, gibt es ein
Zuviel an Herzkathetern, Rückenoperationen und Knieprothesen.» Das
Grundvertrauen von Patienten in die Medizin werde zerstört. «Viele
Patienten fühlen sich von dem Arzt, der da die ganze Zeit nur auf
seinen Monitor guckt, im wahrsten Sinne des Wortes nicht gesehen.»

Dem Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte zufolge übernehmen

viele gesetzlichen Krankenkassen zumindest einen Teil der Kosten für
homöopathische Leistungen und Mittel. «Homöopathie kann vieles, sie
kann aber nicht alles», sagt Kölsch. Es komme deshalb darauf an, mit
anderen medizinischen Disziplinen zu kooperieren. «Wir wollen keinen
Grabenkrieg.» Zahlreiche Vorträge der 120 Referenten auf dem Kongress
befassten sich mit dem Thema interdisziplinäre Zusammenarbeit.