Kübelweise Spott für Schulz - Linke rückt von Rot-Rot-Grün ab Von Basil Wegener und Michael Fischer, dpa

Frieden und Gerechtigkeit wollen die Linken. Rot-Rot-Grün rückt in
weite Ferne - Partei-Star Wagenknecht übt sich dafür in einem Sound,
den man von ihr nicht gewohnt ist.

Hannover (dpa) - Dietmar Bartsch folgt Sahra Wagenknecht in allen
Gesten. Die Spitzenkandidatin und Partei-Ikone hat den Parteitag
gerade zum Jubeln gebracht, mit einem großen Kübel Spott für die SPD.

Nun lässt sie sich auf der Bühne feiern. Der Co-Spitzenkandidat kommt
hinzu. Beiden werden Blumen in die Hand gedrückt. Immer wenn
Wagenknecht ihren Strauß zum Winken hoch hält, folgt Bartsch mit
seinem - lässt sie ihren Arm sinken, nimmt auch er seinen herunter.
Ob sie wollen oder nicht: Die Linken schließen sich Wagenknecht an -
auch ihrem Rot-Rot-Grün-kritischen Kurs.

Den zementiert Wagenknecht so fest wie kein prominenter Redner.
Bartsch bekennt sich dazu, regieren zu wollen - mahnt die Delegierten
aber, jetzt nicht lange über diese Frage zu reden. «Wir sollten jetzt
um ein starkes Ergebnis kämpfen, um alles andere werden wir später
kämpfen», ruft er den Delegierten zu. Parteichefin Katja Kipping
beschwört die Partei, «dass wir uns nicht auf die Oppositionsrolle

beschränken sollten». Der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger hämmert di
e
Punkte des umfassenden Programms in den Saal.

Wagenknecht dagegen greift zu Ironie. Fast wie eine Kabarettistin
macht sie sich über die SPD und ihren Kanzlerkandidaten lustig. Der
sei ja eine ziemliche Enttäuschung.

«Ab und an gibt's dann Äußerungen von Martin Schulz, wo man sich auf

den ersten Blick sagt: Wow, das hört sich ja gut an», sagt
Wagenknecht. So habe sich Schulz neulich zur EU und zu ökonomischer
Vernunft bekannt. «Also dachte ich, Mensch, hab ich dem Schulz doch
Unrecht getan.» Doch dann habe Schulz weitergeredet - und die
Vormachtstellung Deutschlands in der EU verteidigt. «Das hätte
Schäuble wirklich auch nicht dümmer sagen können.» 

Auch Wagenknecht attackiert wie die anderen Linken-Oberen Merkel.
Aber Schulz geht sie doch besonders genüsslich an. Rot-Rot-Grün?
Nicht zur Verfügung stünden die Linken für eine
neoliberale Koalition. «Was wir nicht wollen und was wir nicht machen

werden, ist diese Vielfalt von Koalitionsoptionen um eine weitere
Variante zu bereichern, die sich dann Rot-Rot-Grün nennt.»

Die Forderungen nach einem Ende der Nato und sämtlicher
Bundeswehreinsätze im Ausland bleiben den Linken wichtig, auch wenn
sie sie nicht knallhart als Bedingungen fürs Regieren ins Programm
schreiben. Wagenknecht wirft SPD und Grünen letztlich Kriegstreiberei
vor: «Wenn Ihr wieder zu einer verantwortungsvollen, verlässlichen
Außenpolitik zurückfindet, dann könnt Ihr Euch gerne bei uns wieder
melden.»

Es erscheint als recht sinnlose Übung, die der Parteitag in
stundenlangen Debatten und mit rund 300 Abstimmungen absolviert - im
Wahlprogramm keine zu hohe Mauern zu SPD und Grünen hochzuziehen. Und
Wagenknecht und Co. haben in den Augen vieler auf dem Parteitag auch
recht: Die Umfragen geben eine Mehrheit für ein Linksbündnis bei
weitem nicht her. Andere Linke sagen: Nur wenn mögliche Wähler die
Hoffnung haben können, dass auch etwas von ihren Wünschen umgesetzt
wird, werden sie zur Wahl motiviert.

Zehn Jahre nach ihrer Gründung als gesamtdeutsche Partei nimmt die
Linke für sich in Anspruch, Politik für die Mehrheit zu machen. Bei
den Steuern verspricht sie Entlastungen für alle, die als Single
weniger als 7100 Euro pro Monat verdienen. Niedrige Mieten,
günstigere Krankenkassen, bessere Bildung - nur die Reichen sollen
sich fürchten müssen. Sie sollen das bezahlen.

Die Kommunisten in der Partei erzielen keine Erfolge beim Versuch,
das Programm zu verschärften. Trotzdem kommt auch aus dem rot-grünen
Spektrum der politischen Konkurrenz postwendend harsche Kritik an der
Linkspartei - «Totalausfall», heißt es etwa. Tiefer könnte der Gr
aben
zwischen möglichen Koalitionspartnern 15 Wochen vor der Wahl nicht
sein.