Nicht einfach mal kurz die Welt retten - 25 Jahre Erdgipfel von Rio Von Simone Humml, dpa

Die Mauer war gefallen, der Kalte Krieg vorbei und der Scorpions-Song
«Wind of Change» um die Welt geweht. Über 170 Staaten wollten 1992
nun auch Armut und Umweltverschmutzung von der Erde verbannen. 25
Jahre später zeigt sich: Das ist nur sehr bedingt gelungen.

Berlin (dpa) - Innerhalb von nur einer Generation hat der Mensch Wald
von der 6,5-fachen Fläche Deutschlands vernichtet, seinen jährlichen
Kohlendioxidausstoß um rund 50 Prozent gesteigert und gewaltige
Plastikstrudel in den Ozeanen geschaffen. Dabei wollten vor 25 Jahren
über 170 Staaten die Menschheit erstmals zu einer nachhaltigen
Entwicklung lenken - einer, die die Lebensgrundlagen für alle
nachfolgenden Generationen bewahrt. Am 14. Juni 1992 beschlossen sie
auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro eine Anleitung dazu, die 350
Seiten dicke Agenda 21, und unterzeichneten auch Rahmenverträge zum
Schutz des Klimas und der Artenvielfalt. Rio war ein Startschuss für
weitere Verträge wie die Klimaabkommen von Kyoto und Paris.

«Es war ein historischer Moment», sagt Klaus Milke,
Vorstandsvorsitzender von Germanwatch, einer Organisation für Umwelt
und Entwicklung. «Heute würde man eine Weltkonferenz mit einer
solchen Bereitschaft zur umfassenden Zusammenarbeit - siehe Trump und
andere Populisten - wahrscheinlich nicht mehr zusammenbekommen»,
meint Milke. «Das war damals eine Aufbruchstimmung. Was aber viele zu
dem Zeitpunkt nicht geahnt hatten, war, dass das Ganze das Tempo
einer Schnecke haben würde.» Die Agenda 21 war unverbindlich, und
reiche Länder gaben laut Milke zu wenig Geld, um eine nachhaltige
Entwicklung in den armen zu fördern.

«Schon in Rio war klar, dass wir nicht so weiterwirtschaften können
wie zuvor. Es gab aber keinerlei Umkehr, unser Wirtschaftssystem zu
überdenken. Und gleich nach Rio wurde die Welthandelsorganisation
gegründet, ein Beschleuniger für Globalisierung ohne Grenzen»,
kritisiert auch Barbara Unmüßig. Sie koordinierte in Rio die
deutschen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen und ist heute
Vorstandsmitglied der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. «Die
Themen wurden an Umwelt- und Entwicklungspolitiker delegiert - also
an Nischenbereiche und nicht an die Wirtschaftspolitik», ergänzt
Unmüßig. «In Rio wurden zudem keine Obergrenzen festgelegt für
Abholzung, Fischfang, Treibhausgasausstoß. Heute sehen wir, dass wir
viele Grenzen überschritten haben.»

Dennoch hat die Weltgemeinschaft zumindest im Kampf gegen Hunger,
Armut und Krankheiten Fortschritte gemacht. So sank die Zahl der sehr
Armen von 1,9 Milliarden Menschen 1990 auf 836 Millionen 2015 - trotz
Bevölkerungswachstums. Die Rate der Hungernden sowie die Kinder- und
die Müttersterblichkeit halbierten sich in der Zeit in etwa. Masern,
Malaria, Aids und andere Krankheiten wurden stark zurückgedrängt. Als
ein Grund gelten die im Jahr 2000 von den Staatschefs initiierten
UN-Millenniumsziele, auch wenn sie nicht komplett erreicht wurden,
als weiterer das Wirtschaftswachstum in Ländern wie China und Indien.

«Tatsächlich sind Menschen aus der Armut geholt worden», sagt
Unmüßig. «Aber Rio hatte eigentlich den Anspruch, Leute aus der Armut

zu holen, ohne die Umwelt zu zerstören.» Zudem sei noch viel zu
verbessern, so hungerten noch immer rund 800 Millionen Menschen, zwei
Milliarden seien mangelernährt.

Bei der Umwelt sieht es schlecht aus: Von 1990 bis 2015 hat der
Mensch 229 Millionen Hektar Wald vernichtet, vor allen in den Tropen
und dort vornehmlich für Viehfutter und andere Agrarprodukte. Wald
von großen Aufforstungsprogrammen hingegen, etwa in China, ist oft in
schlechtem Zustand. Das Ziel, bis 2010 das Artensterben deutlich zu
reduzieren, wurde nach UN-Angaben verfehlt. Auch das Ziel von Rio,
eine gefährliche Erderwärmung zu verhindern, scheint schwer
erreichbar zu sein - auch schon, bevor US-Präsident Donald Trump dem
Klimaschutz den Rücken kehrte. Derzeit hat der Mensch die Erde nach
Daten der Weltwetterorganisation schon um rund ein Grad erwärmt, bei
deutlich unter zwei Grad soll dies gestoppt werden.

2015 beschlossen die Staaten neben dem Pariser Klimaabkommen auch die
Agenda 2030 mit 17 globalen Entwicklungszielen. Damit sollen Hunger
und extreme Armut bis 2030 völlig verschwunden sein und zugleich die
Natur geschützt werden. «Ich halte sie absolut für erreichbar, und
ich halte sie vor allem auch für enorm wichtig», sagt der Leiter des
UN-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner. Noch 1992 sei erst
Wirtschaft beachtet worden, dann Soziales und dann Umwelt und
Nachhaltigkeit. Die Felder seien nun ganz neu verknüpft worden.

Auch Unmüßig sieht noch Hoffnung - etwa darin, dass die Investitionen
in erneuerbare Energien inzwischen größer sind als die in fossile und
dass immer mehr Anleger ihr Geld aus letzteren zurückziehen. Zudem:
«Viele Millionen Menschen arbeiten überall auf der Welt für Ökologi
e,
Gerechtigkeit und Demokratie.»