Sylvia Schenk wird 65 - Nicht einmal der Radsport-Pate schreckte sie Von Andreas Zellmer und Ulrike John, dpa

Die engagierte Kämpferin gegen Korruption und für mehr Transparenz im
Sport wird 65: Sylvia Schenk sammelte entscheidende Erfahrungen als
Radsport-Repräsentantin und ist so etwas wie das
gesellschaftspolitische Gewissen des Sports.

Berlin (dpa) - Der frühere Radsport-Pate Hein Verbruggen hatte Sylvia
Schenk unmissverständlich auf die Machtverhältnisse in der Branche
hingewiesen. «Es ist eine Welt der Männer, und Sie sind eine Frau -
also müssen Sie sich anpassen», lautete einst die Empfehlung des 2005
zurückgetretenen UCI-Chefs an die Adresse der deutschen
Verbands-Chefin. Die als Rat dahergekommene Drohung des Niederländers
beeindruckte Sylvia Schenk nicht sonderlich. Die Juristin, die am 1.
Juni ihren 65. Geburtstag feiert, hielt sich nicht daran.

Vor Konfrontation schreckt die Ex-Weltrekordlerin von 1971 mit der
4x800 Meter-Staffel selten zurück: Weder als Präsidentin des Bundes
Deutscher Radfahrer (BDR) in schwierigen Zeiten (2001 bis 2004), im
Wahlkampf um den erneuten Verbands-Vorsitz 2013 gegen Rudolf
Scharping, noch als Vorstandsmitglied von Transparency International.
Bereits vor dem Aus des ebenso allmächtigen wie korrupten FIFA-Bosses
Josef Blatter hatte die SPD-Politikerin und Frankfurterin
Stadtdezernentin öffentlich von «mafiaähnlichen Strukturen» im
Fußball-Weltverband gesprochen.

Die Ex-Leichtathletin und Olympia-Teilnehmerin von 1972, die mit dem
früheren 800-Meter-Läufer Franz-Josepf Kemper verheiratet ist, leitet
seit 2014 bei Transparency Deutschland die Arbeitsgruppe Sport. Nach
der gescheiterten Olympia-Bewerbung Hamburgs mahnte sie eine «klare
Positionierung» zum Schutz der Menschenrechte bei
Sport-Großveranstaltungen an. Das habe der deutsche Sport versäumt,
wie sich bei der Teilnahme an den Europäischen Spielen 2015 in Baku
und bei der Vergabe der Spiele 2019 nach Minsk zeigten.

«Sylvia Schenk ist eine langjährige Wegbegleiterin des DOSB und des
gesamten Sports», sagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen
Olympischen Sportbundes und sprach von einer wertvollen Beraterin:
«In diesen Zeiten, in denen Compliance immer wichtiger wird, nimmt
sie als Leiterin der AG Sport bei Transparency International
Deutschland und als DOA-Vorstandsmitglied (Deutsche Olympische
Akademie) eine bedeutende Aufgabe wahr.»

Transparenz wollte Schenk auch in ihrer Tätigkeit an der Spitze des
BDR schaffen. Dabei stieß sie an ihre Grenzen. Die frühere
Arbeitsrichterin trat nach Kontroversen mit dem Sportdirektor und
Scharping-Freund Burckhard Bremer zurück. 2013 hatte sich Sylvia
Schenk erneut als Präsidentin des BDR - mit dem Hauptzielen Kampf
gegen Doping und eine offenere Kommunikation - beworben. Sie fand bei
den Delegierten keine Gnade.

Bei der Wahl im März 2013 unterlag sie mit 156:411 Stimmen Scharping.
Der Ex-Verteidigungsminister und frühere SPD-Kanzlerkandidat steht
auch mit fast 70 - allen Kritiken zum Trotz - weiter an der Spitze
aller Radfahrer. Er ist im vergangenen März in seine vierte Amtszeit
eingebogen.

Das Geburtstagskind blickt mit gemischten Gefühlen auf ihre Zeit im
Radport zurück. «Als BDR-Präsidentin und Mitglied des
UCI-Management-Komitees habe ich viel gelernt: Über eine
faszinierende, vielfältige Sportart mit hoch engagierten Menschen,
aber auch über schmutzige Tricks, Manipulation, Feigheit und
Opportunismus», sagte Sylvia Schenk der Deutschen Presse-Agentur.
«Ohne die negativen Erfahrungen wäre ich nicht bei Transparency
International gelandet und hätte keinen Beitrag zur Reform des Sports
national und international leisten können».