«Charmeoffensive»: China gibt grünes Licht für deutsche Stiftungen Von Andreas Landwehr, dpa

Seit Jahresanfang waren die deutschen politischen Stiftungen in China
«technisch illegal». Ein Herzstück der bilateralen Kooperation war in

Gefahr. Plötzlich zeigt sich Peking kompromissbereit. Warum?

Peking (dpa) - Im monatelangen Tauziehen um die Existenz der
deutschen politischen Stiftungen in China gibt es einen Durchbruch.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unterrichtete das
Ministerium für Öffentliche Sicherheit am Mittwoch die deutsche
Botschaft in Peking, dass die weitere Zulassung der parteinahen
Stiftungen geklärt sei. Die chinesische Seite beseitigt damit ein
großes Hindernis für die deutsch-chinesischen Beziehungen.

«Das kam völlig überraschend», schilderten informierte Kreise. Das

Entgegenkommen wurde als Teil der «Charmeoffensive» der Chinesen
gegenüber den Deutschen gesehen, die mit dem Amtsantritt von
US-Präsident Donald Trump begonnen hatte. Es solle wohl «ein
positives Signal» im Vorfeld der intensiven bilateralen Gespräche mit
Deutschland in den nächsten zwei Monaten gesetzt werden.

So führte Chinas Außenminister Wang Yi am Mittwoch Gespräche in
Berlin. Auch werden Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries,
Justizminister Heiko Maas und Außenminister Sigmar Gabriel noch
diesen Monat in Peking erwartet. Anfang Juli nimmt Chinas Staats- und
Parteichef Xi Jinping am Gipfel der großen Industrie- und
Schwellenländer (G20) in Hamburg teil. Die Irritationen über die
Arbeit der Stiftungen in China hätten bei allen Gesprächen eine Rolle
gespielt.

Seit Jahresanfang arbeiteten die Stiftungen «technisch illegal» in
China, so dass ihre Programmarbeit lahmgelegt war. Visa für
Mitarbeiter waren nur auf erheblichen diplomatischen Druck in letzter
Minute vor dem gebuchten Abflug auch nur kurzfristig verlängert
worden. Die Kooperation mit Dienstleistern war behindert.
Arbeitsverträge konnten oft nicht verlängert werden.

Ursache ist ein neues Gesetz, mit dem politisch unliebsame
Aktivitäten ausländischer, regierungsunabhängiger Organisationen
(NGO) in China unterbunden werden soll. Es verschärft die Kontrolle
und verlangt, dass sich ausländische NGO mit neuen, ausgesuchten
chinesischen Partnern registrieren. Die Liste war begrenzt. Auch gab
es aus politischen Gründen niemanden, der als Partner der Stiftungen
auftreten würde. «Es gab keine Bewegung», hieß es. Weniger als ein

Prozent der ausländischen NGO sind bisher registriert.

Völlig unerwartet teilte das Sicherheitsministerium der Botschaft
dann mit, dass in einer Ausnahmeregelung für Deutschland die
regierungsnahe chinesische Freundschaftsgesellschaft als Partner für
die Stiftungen Konrad Adenauer, Heinrich Böll und Rosa Luxemburg
einspringen werde.

Die Stiftungen Friedrich Ebert und Hanns Seidel dürfen weiter mit
ihren alten Partnern kooperieren. Das sind die Internationale
Abteilung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und das
Bildungsministerium, mit dem die Seidel-Stiftung
Berufsbildungsprogramme verfolgt.

In den nächsten Wochen soll der Papierkram erledigt werden können.
Auch werde es keine Visaprobleme mehr geben, wurde versichert. «Damit
hat keiner gerechnet», hieß es aus informierten Kreise. Dem Vernehmen
nach hatten chinesische Diplomaten in Berlin noch vor wenigen Tagen
in Frage gestellt, ob die Stiftungen überhaupt auch alle in China
bleiben können.

Der Durchbruch wurde als «Erfolg» der Bemühungen von deutscher
Regierungsseite gewertet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und zuletzt
auch Gabriel (SPD) noch als Wirtschaftsminister hatten sich bei
Besuchen in Peking für die Stiftungen eingesetzt. Mit Chinas
Entgegenkommen können jetzt auch andere der rund 200 deutschen NGO
hoffen, ihre Probleme zu lösen. Auch die Auslandshandelskammer (AHK)
in Peking oder das Fraunhofer-Institut waren betroffen.

Die deutschen Stiftungen sind in China nicht nur in der
Berufsbildung, sondern auch im Umweltschutz oder im Rechts- oder
Gesundheitswesen aktiv. In Zukunft müssen sie sich trotz der neuen
Zulassung aber wohl politisch beschränken. Den Stiftungen wird
auferlegt, in ihrer Arbeit «nicht gegen die Interessen der
Kommunistischen Partei oder gegen das öffentliche Interesse zu
verstoßen», was sehr willkürlich interpretiert werden kann.

Chinas Führung befürchtet laut Experten «eine Infiltration durch
feindliche westliche Kräfte» oder auch demokratische oder politisch
liberale Wertvorstellungen. So war etwa eine Rechtsberatung von
Wanderarbeitern vor drei Jahren noch begrüßt worden. Solche
Aktivitäten sind im verschärften Klima unter Präsident Xi Jinping
heute nicht mehr willkommen.