Chefwechsel bei Munich Re: Mehr Gewinn muss her Von Carsten Hoefer, dpa, und Steffen Weyer, dpa-AFX

Die Versicherungsbranche neigt zum Understatement - grelle
Selbstdarstellung könnte dem überlebensnotwendigen Ruf der Seriosität

schaden. Die Münchner Rück bekommt einen neuen Chef, den außerhalb
des Unternehmens kaum jemand kennt.

München (dpa) - Der Münchner Rück steht in dieser Woche ein sehr
seltenes Ereignis bevor: Ein neuer Vorstandschef übernimmt am
Donnerstag das Ruder beim weltgrößten Rückversicherer. Der 52 Jahre
alte Joachim Wenning wird in der 137-jährigen Firmengeschichte erst
der neunte Chef. Der scheidende Vorstandschef Nikolaus von Bomhard
steht zuvor am Mittwoch vorerst zum letzten Mal im Zentrum der
Hauptversammlung.

Wenning hat eine klare Aufgabe vor sich: den Gewinn steigern. Seit
2014 schrumpft der Profit des Dax-Konzerns kontinuierlich. Für dieses
Jahr hat der Vorstand 2,0 bis 2,4 Milliarden Euro in Aussicht
gestellt, vor drei Jahren waren es noch 3,3 Milliarden.

Wie der in Jerusalem geborene Wenning das anstellen will, hat der
Volkswirt bislang nicht verraten. Sogar Fotos von ihm haben
Seltenheitswert. Er sei kein «everybody's darling», sagte Wenning vor
einem Jahr in einem von der Unternehmenskommunikation
veröffentlichten Interview. «Ich kann, und das ist als Eigenschaft,
glaube ich, sehr wichtig, auch gegen den Strom schwimmen, extern wie
intern.»

Wenning ist seit 2009 im Vorstand, am Mittwoch haben die Aktionäre
bei der Hauptversammlung Gelegenheit, ihn zu befragen. In einer
ohnehin reservierten Branche ist die Münchner Rück eine Weltmacht mit
Hang zur Untertreibung. «Wir sind gern langweilig», gaben Bomhard und
sein Finanzchef Jörg Schneider immer wieder schmunzelnd zum Besten.

Bomhard erregte zwar mit scharfer Kritik an der Null-Zins-Politik der
Europäischen Zentralbank Aufsehen. Doch sonst war die spektakulärste
Nachricht, die über den Konzernboss in den dreizehn Jahren seiner
Amtszeit bekannt wurde: Er fährt mit einem Damenfahrrad ins Büro.

Nachfolger Wenning übernimmt in schwierigen Zeiten: Die
Digitalisierung auf der einen und die Null-Zins-Politik auf der
anderen Seite lassen die Gewinne der Versicherungen schrumpfen,
etablierte Geschäftsmodelle wie die Lebensversicherung mit
Garantiezins sind unrentabel geworden. Und im Kerngeschäft in der
Rückversicherung sinkt das Prämienniveau seit Jahren. Das Geschäft
steht vor einem grundlegenden Wandel.

Zudem hängt dem Branchenprimus aus München seine Düsseldorfer Tochter

Ergo mit Marken wie Hamburg-Mannheimer, Victoria, Deutsche
Krankenversicherung oder D.A.S. schwer um den Hals. Eine
Rotlicht-Sause für Versicherungsvertreter in Budapest beschädigte
2011 den Ruf - und passte so gar nicht in das gediegene, seriöse
Bild, das der Mutterkonzern seit Jahren verkörpert.

«Man hat nach der Bildung des Ergo-Konzerns nicht sofort mit der
Integration begonnen», räumt von Bomhard ein. Seiner Ansicht nach
hätte das nach der Fusion 1997 «innerhalb von Monaten» passieren
müssen. Doch los ging es erst mit Bomhards Antritt 2004, und das nur
in kleinen Schritten. Die Früchte eines milliardenschweren Umbaus,
den der Konzern 2016 angeschoben hat, dürften Ergo-Chef Markus Rieß
und Bomhards Nachfolger Wenning erst Anfang des nächsten Jahrzehnts
einfahren.

Bomhard hatte bei seinem Amtsantritt 2004 mit noch wesentlich
größeren Problemen zu kämpfen als Nachfolger Wenning heute. Damals
hatte die Munich Re den ersten Jahresverlust ihrer Geschichte
geschrieben. Dennoch stimmt der scheidende Chef keine Arie des
Eigenlobs an: «Ich gebe zu, dass mir das, was ich mir vor 13, 14
Jahren vorgenommen habe, nicht alles gelungen ist», bilanzierte
Bomhard bei seiner letzten Jahresbilanz im März.

Vor allem eines habe er gehofft, in seinem Job noch zu erleben:
steigende Zinsen. Vielleicht passiert ihm das ja bei seiner nächsten
Aufgabe. Der Manager hält es für möglich, dass er 2019 - nach der
vorgeschriebenen Wartezeit von zwei Jahren - als Aufsichtsratschef
zur Munich Re zurückkehrt. Die Chancen dafür, schätzte er zuletzt,
lägen bei «knapp über 50 Prozent».