WHO sieht dringenden Handlungsbedarf bei Hepatitis

Mangelnde Hygiene, Nadeltausch unter Drogensüchtigen: Hepatitis ist
ein Gesundheitsproblem. Lösungen sind da, aber nur ein Teil der
Betroffenen weiß, dass er infiziert ist. Europa ist - östliche Länder

wie Russland eingeschlossen - besonders betroffen.

Genf (dpa) - Rund 325 Millionen Menschen sind nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit chronischer Hepatitis B oder
Hepatitis C infiziert - aber nur ein Bruchteil von ihnen weiß das.
«Hepatitis stellt ein bedeutendes weltweites Gesundheitsproblem dar»,

sagte Gottfried Hirnschall, der Leiter des WHO-Hepatitis-Programms.
«Wenn die Menschen nicht behandelt werden, sind sie in Lebensgefahr.»

Hepatitis ist eine Leberentzündung, die zu tödlichem Leberkrebs
führen kann. Die WHO hat nun erstmals Zahlen für Regionen
veröffentlicht, um ihre Fortschritte beim Kampf gegen die Krankheit,
die bis 2030 eliminiert werden soll, messen zu können. Die WHO-Region
Europa ist bei Hepatitis-C-Infektionen hinter der Region Östliches
Mittelmeer von Afghanistan bis Jemen am stärksten betroffen, geht aus
dem Hepatitis-Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hervor.
Die Region reicht von der EU über Russland bis Usbekistan und
Kirgistan.

Die Organisation konzentriert sich auf die chronische Hepatitis B
(HBV) und Hepatitis C (HCV), weil diese beiden Infektionen 96 Prozent
der Todesfälle ausmachen. 2015 starben 1,3 Millionen Menschen - mehr
als durch HIV-Infektionen oder Malaria. Nach Hirnschalls Angaben kann
die Epidemie gestoppt werden. Gegen Hepatitis B gebe es eine
erfolgreiche Impfung, gegen Hepatitis C eine nur noch rund 200 Dollar
teure dreimonatige Behandlung, die Infizierte heile. Bei Hepatitis B
sei eine lebenslange Behandlung nötig.

Eine Herausforderung sei es, die Menschen überhaupt zu erreichen.
Derzeit erhalten dem Bericht zufolge weniger als zehn Prozent der
Betroffenen, die eine Diagnose haben, Medikamente. Und oft bleibt die
Krankheit jahrelang unerkannt. Von den chronisch Hepatitis-B-Kranken
wissen demnach nur 9 Prozent überhaupt, dass sie infiziert sind. Bei
Hepatitis C sind es rund 20 Prozent.

Nach 20 oder 30 Jahren vernarbe dann die Leber und es könne sich
Krebs entwickeln, sagte WHO-Hepatitis-Experte Yvan Hutin. Menschen
stecken sich demnach vor allem durch Kontakt mit Blut und anderen
Körperflüssigkeiten oder beim Sex an. Hepatitis C bekommen zudem oft

Drogensüchtige, die ihre Nadeln untereinander austauschen.

In der WHO-Region Europa lebten mit fast vier Millionen Betroffenen
die mit Abstand meisten Süchtigen, die sich Drogen spritzen, hieß es.
Auf sie gehe ein beträchtlicher Teil der Infektionen zurück. 14
Millionen Menschen seien in der Region mit Hepatitis C infiziert, 15
Millionen mit Hepatitis B. In Deutschland kommt Hepatitis B nach
Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin relativ selten vor.

In der Region von Afghanistan bis Jemen sind dem WHO-Bericht zufolge
mangelnde Hygienevorkehrungen im Gesundheitswesen die häufigste
Ursache für Hepatitis-C-Übertragungen. 15 Millionen Menschen sind
dort betroffen - so viele wie sonst nirgendwo. Hepatitis B kommt vor
allem in der Westpazifikregion vor: 115 Millionen Menschen seien dort
infiziert, so die WHO.

Anders als bei Tuberkulose oder HIV sei bei Hepatitis die Zahl der
Todesfälle gestiegen: von einer Million im Jahr 2011 auf 1,3
Millionen im Jahr 2015. Die WHO hatte aber auch eine gute
Nachricht: Die Zahl der Neuinfektionen sinke. 2015 wurden demnach 85
Prozent der Neugeborenen weltweit gegen Hepatitis B geimpft.