Studie: 4,2 Millionen Arbeitnehmer zahlen Spitzensteuersatz

Starke Schultern tragen auch größere Lasten - diese Grundidee des
deutschen Steuersystems funktioniere, sagen Kölner Ökonomen. Aber
immer mehr Erwerbstätige fallen unter den Spitzensteuersatz. Nach der
OECD kritisieren auch die IW-Forscher die hohe Abgabenlast.

Berlin (dpa) - Fast zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland
zahlen den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Dies beträfe etwa 4,2
Millionen Steuerzahler, wie aus einer am Dienstag vorgelegten Studie
des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln
hervorgeht. Danach steuern diese knapp zehn Prozent der Top-Verdiener
mit 48,2 Prozent fast die Hälfte des gesamten
Einkommensteueraufkommens bei. 2,7 Millionen Erwerbstätige zahlten
aufgrund zu geringer Verdienste überhaupt keine Steuern. Für sie
stelle aber die Mehrwertsteuer die größte Belastung dar.

Die Studie zeige, wie stark Gering- und Durchschnittsverdiener durch
Steuern und Abgaben belastet würden. So zahle ein Single mit einem
Bruttogehalt von 1940 Euro im Monat 39 Prozent Steuern und Abgaben.
Ein Alleinstehender mit 3250 Euro monatlich müsse 44 Prozent
abführen. Auch die OECD hatte darauf verwiesen, dass ein Single im
internationalen Vergleich hohe Steuern und Abgaben leisten müsse. Bei
einem Ehepaar ohne Kinder mit einem Monats-Bruttoeinkommen von 4040
Euro betrage der Anteil an Steuern und Abgaben 40 Prozent.

Unterhalb des steuerlichen Grundfreibetrags von derzeit 8820 Euro im
Jahr fallen für einen Single überhaupt keine Steuern an. Bei
Ehepaaren oder eingetragenen Lebenspartnern verdoppelt sich dieser
Betrag auf 17 640 Euro. Hinzu kommen Freibeträge für Kinder sowie
weitere Entlastungen. Sozialabgaben müssen dagegen schon ab dem
ersten verdienten Euro an den Staat abgeführt werden.

Für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ist dann ein
eigener, immer höher werdender Steuersatz fällig. Er fängt für Ledi
ge
mit 14 Prozent bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 8 821
an und beträgt ab einem zu versteuernden Einkommen von 54 058 Euro 42
Prozent. Bei Top-Verdienern ist von 256 303 Euro an (Ledige) eine
«Reichensteuer» von 45 Prozent fällig.

Als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer dient das zu
versteuernde Einkommen, das deutlich vom Jahresbruttoverdienst
abweichen kann. Gründe dafür sind unter anderem abzugsfähige
Werbungskosten und Vorsorgeaufwendungen - etwa die gesetzlichen
Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie private
Vorsorgeprodukte. Zusätzlich zur Einkommensteuer wird der
Solidaritätszuschlag erhoben - 5,5 Prozent der Einkommensteuer. Auch
hier gibt es aber eine Freigrenze.

Nach IW-Angaben zahlen jene 30 Prozent, die in Deutschland am meisten
verdienen, rund zwei Drittel der Summe aus Einkommen- und
Mehrwertsteuer. Zusammen machen beide Steuerarten etwa zwei Drittel
der öffentlichen Einnahmen in Deutschland aus. Während bei der
Einkommensteuer Besserverdienende überproportional belastet würden,
werde der Konsum unabhängig vom Gehalt mit 19 beziehungsweise 7
Prozent besteuert. Untere Einkommensschichten seien deshalb besonders
stark von der Mehrwertsteuer betroffen.

Insgesamt sei die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben hoch -
auch bei durchschnittlichen Einkommen, heißt es weiter. Bei einem
Bruttoeinkommen von knapp 2000 Euro im Monat zahlten Alleinstehende
bereits gut 39 Prozent Steuern und Sozialabgaben, wenn die
Mehrwertsteuer berücksichtigt wird. Ehepaare und Familien mit eher
geringem Einkommen geben laut IW mehr als ein Drittel an den Staat
ab.

Linken-Chef Bernd Riexinger forderte eine Entlastung unterer und
mittlerer Einkommen. «Im Gegenzug braucht es endlich wieder eine
gerechte Besteuerung von Einkommen, die durch nichts zu rechtfertigen
sind», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.