Plötzlich sind sie illegal: Deutsche Stiftungen in China lahmgelegt Von Andreas Landwehr, dpa

Deutsche Organisationen arbeiten in China in der Berufsbildung, im
Umweltschutz, im Rechts- oder Gesundheitswesen. Ein neues Gesetz
setzt diese intensive Kooperation aufs Spiel.

Peking (dpa) - Ein neues Gesetz gegen politisch unliebsame
Aktivitäten ausländischer Organisationen in China bringt die Arbeit
deutscher Politikstiftungen und anderer Gruppen zum Stillstand. Seit
dem 1. Januar hängen sie in der Luft, ist ihr Status «technisch
illegal». Die Programmarbeit ist weitgehend eingestellt. In Kürze
laufen Visa aus, so dass Repräsentanten zwangsläufig das Land
verlassen müssen. «Alles geht kaputt», sagt ein Betroffener
enttäuscht. Neue Arbeitsgenehmigungen werden verweigert. Chinesische
Mitarbeiter können nicht mehr beschäftigt werden. Bisherige
Dienstleister ziehen sich zurück.

Wer sich auf deutscher Seite umhört, bekommt immer die gleichen
Klagen über die Umsetzung des Gesetzes zu hören: Auf chinesischer
Seite herrsche Unvermögen, bürokratisches Wirrwarr und Angst,
Entscheidungen zu treffen. Offiziell will das aber niemand sagen.

Chinas Regierung argumentiert, das neue Gesetz schaffe einen dringend
notwendigen rechtlichen Rahmen für Aktivitäten ausländischer NGOs.
Solche Organisationen dürften «weder die Einheit, Sicherheit oder
ethnische Solidarität des Landes untergraben, noch die Interessen des
Landes und der Öffentlichkeit oder die Rechte der Bürger oder anderer
Gruppen schädigen», hieß es bei der Annahme des Gesetzes vor einem
Jahr.  

Regierungsunabhängige Organisationen (NGO) aus dem Ausland sind nun
dem Sicherheitsministerium unterstellt. Für die erforderliche neue
Anmeldung müssen sie sich ausgewählte chinesische Partner suchen, die
aber höchst unwillig sind, ihren Kopf für Ausländer hinzuhalten.

In der deutschen Botschaft in Peking wächst die Sorge. «Entgegen
gemachter Zusagen auf politischer Ebene läuft die Registrierung auf
Arbeitsebene alles andere als glatt», sagt ein Mitarbeiter, der nicht
namentlich genannt werden will. «Die Arbeit vieler NGOs kommt immer
mehr zum Erliegen.» Rund 200 deutsche Organisationen arbeiten nach
chinesischen Angaben in China, darunter die parteinahen Stiftungen
Friedrich Ebert, Heinrich Böll und Rosa Luxemburg. Der neue Vertreter
der Konrad Adenauer-Stiftung bekommt schon kein Einreise-Visum mehr.

«Chinesische Stellen versichern zwar immer wieder, dass die
politischen Stiftungen weiter willkommen sind, aber in der Praxis
läuft es darauf hinaus, dass jetzt Schritt für Schritt ihre Arbeit
beschwerlicher wird», heißt es aus informierten Kreisen. «Das Gesetz

wurde mit heißer Nadel gestrickt. Vor allem, dass keine
Übergangsphase eingeräumt worden ist, bereitet jetzt Probleme.»

Mit der Kontrolle wolle Chinas kommunistische Führung «eine
Infiltration durch «feindliche westliche Kräfte» verhindern», sagt

Kristin Shi-Kupfer vom China-Institut Merics in Berlin. «Darunter
versteht Peking institutionalisierte, westliche Werte und
Ordnungsvorstellungen, die eine politische Liberalisierung befördern
könnten.»

Ausländische Organisationen sind nun Gegenstand nationaler
Sicherheit. «Wenn ausländische NGO-Mitarbeiter aus Sicht der Behörden

gegen die sehr dehnbaren Kategorien wie «nationale Interessen» oder
«soziale Ordnung» verstoßen oder des «versuchten Umsturzes der
Staatsmacht» überführt werden, müssen sie künftig mit harten Stra
fen
rechnen», warnt Shi-Kupfer.

Die Verschärfung sorgt für «Kollateralschäden»: Betroffen sind au
ch
«unsensible» Bereich wie Armutsbekämpfung, berufliche Bildung,
Gesundheitswesen oder die Kooperation in Wirtschaft und Wissenschaft,
wo Peking vom ausländischen Know-how und Engagement profitieren
möchte. Nicht nur die geschätzte Arbeit der Seidel-Stiftung in der
Berufsbildung ist in Gefahr. Selbst das Fraunhofer-Institut, der
Industrieverband BDI und die Auslandshandelskammer (AHK) in China
fallen unter das Gesetz.

«Wir möchten mit unserer Repräsentanz in Peking einen Beitrag für d
ie
Wirtschaftsbeziehungen leisten», sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Markus

Kerber. «Sie zu stärken, ist wichtiger denn je.» Deshalb sei es für

beide Seiten wichtig, «dass es keinerlei Beschwernisse in unserer
Arbeit gibt». Besorgt über die Zuspitzung der Lage hat der deutsche
Botschafter Michael Clauß einen «Brandbrief» an die mächtige
Parteikommission für Politik und Recht, der obersten Instanz in
Sicherheitsfragen, geschickt.