Uralte Mikroben schlummern in Höhlenkristallen

Höhlenforscher machen einen aufregenden Fund in Mexiko: Schlafendes,
uraltes Leben mitten in Kristallen. Von den Kleinstlebewesen wollen
Wissenschaftler auch für die Suche nach Leben fern der Erde lernen.

Chihuahua/Boston (dpa) - In riesigen Kristallen der schwer
zugänglichen Naica-Höhlen (Mexiko) haben Forscher uralte Mikroben
entdeckt und einen Teil davon im Labor wiederbelebt. Die
Höhlenforscherin Penelope Boston, Direktorin des Nasa-Instituts für
Astrobiologie, schätzt, dass die Kleinstlebewesen seit mindestens
10 000, vielleicht sogar seit bis zu 50 000 Jahren dort in einer Art
Schlafzustand waren.

Etwa 90 Prozent der Bakterien und Archaeen seien bisher völlig
unbekannt, berichtete die Forscherin. Archaeen sind eine sehr
besondere Form von Kleinstlebewesen. Zusammen mit Kollegen fand sie
die Mikroben vor allem in mit Flüssigkeit gefüllten Einschlüssen der

Kristalle, die sie steril aufbohrten.

Die Funde sind bislang nicht in einem Fachmagazin publiziert. Boston
stellte sie jedoch jüngst schon auf der weltgrößten
Wissenschaftskonferenz AAAS in Boston vor.

2008 kletterte Boston, damals noch Professorin am New Mexico
Institute of Technology, erstmals in die spektakulären Höhlen, die
vor 100 Jahren durch Zufall von Minenarbeitern entdeckt wurden.
Normalerweise mit Wasser gefüllt, wurden die Höhlen während der
Abbauarbeiten leergepumpt. Die imposanten, durchscheinend weißen
Kristallnadeln aus Calciumsulfat, die sich darin befinden, sind bis
zu fünf Meter hoch. Ihr Durchmesser erreicht bis zu einen Meter.

Bei Temperaturen von 40 bis 60 Grad Celsius waren die Arbeiten der
Forscher in den Höhlen schweißtreibend, so dass sie teilweise
besondere Anzüge zur Kühlung trugen.

Während andere Wissenschaftler bereits Mikroben an den Höhlenwänden
entdeckt hatten, waren die Funde im Innern der Kristalle völlig
überraschend. «Diese Lebewesen gedeihen unter Extrembedingungen. Sie
brauchen kein Licht. Sie verarbeiten Mineralien, um Energie zu
gewinnen», erläutert Boston.

Um die Bakterien im Labor wieder zum Leben zu erwecken, ahmte Bostons
Team deren Lebensumfeld nach. «In einer entsprechend
zusammengesetzten Nährlösung versuchen wir, die Kerle wieder zum
Wachsen zu bringen.» Es habe nicht bei allen geklappt, aber bei
vielen.

Auch andere Forscher haben in der Vergangenheit berichtet, in Salz-
oder Eisschichten, etwa in Österreich, uralte Mikroben entdeckt und
wiederbelebt zu haben. Deren Alter soll teils sogar viele Millionen
Jahre betragen. Diese Funde sind jedoch umstritten.

Als Astrobiologin für die US-Raumfahrtbehörde Nasa sieht Boston in
ihren Funden auch wichtige Hinweise für die Suche nach
extraterrestrischem Leben. «Natürlich ist da die Frage wichtig, wie
lange ein Lebewesen in geologischem Material überleben kann.» So sei
diese Frage mit Blick auf den Mars interessant: Möglicherweise
schlummere dort Leben aus vergangenen Zeiten im Gestein.