Milliardengeschäft Gesundheit - Kliniken werben um Auslandspatienten Von Wolfgang Jung, dpa

Deutsche Krankenhäuser buhlen um zahlungskräftige Patienten aus aller
Welt. Auf dem umkämpften Markt werben auch Kliniken aus
Baden-Württemberg um Kunden etwa aus Russland und den Golfstaaten.
Hält das Interesse trotz zunehmender Konkurrenz an?

Mannheim (dpa) - Prominenter geht es kaum: Ägyptens damaliger
Präsident Husni Mubarak wählte die Uni-Klinik Heidelberg, als er sich
2010 die Gallenblase entfernen ließ. Kasachstans Machthaber Nursultan
Nasarbajew folgte nur ein Jahr später mit einer Prostata-Operation in
Hamburg. Und die frühere ukrainische Regierungschefin Julia
Timoschenko unterzog sich in Berlin einem Eingriff am Rücken.

Jens Juszczak wundert sich nicht über einen solchen Andrang. «Weil
sie eine hervorragende Qualität, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
und gut ausgebildete Ärzte haben, sind deutsche Kliniken weltweit so
beliebt», sagt der Wissenschaftler der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er
beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem «Gesundheitstourismus».

Russen, die ihrer Gattin eine neue Brust bezahlen, oder Araber, die
für eine Botox-Kur anreisen: Wenige Sparten der Branche scheinen so
voller Klischees wie der Aufenthalt ausländischer Patienten. «Viele
kommen zunächst zu einer anderen medizinischen Behandlung», berichtet
Benjamin Waschow vom Universitätsklinikum Freiburg. Erst später
stünde dann vielleicht eine Beratung mit dem Schönheitschirurgen an.

Oft fragen Patienten mit ernsten Erkrankungen an, die kein Vertrauen
in das Gesundheitssystem ihres eigenen Landes haben. Es geht etwa um
Geburtsschäden, Unfallverletzungen oder Kriegswunden. Viele dieser
Kunden kratzen ihr letztes Geld zusammen. Für sie präsentiert sich
Deutschland als Paradies: top-ausgebildete Ärzte, moderne Kliniken.

Der Markt ist umkämpft - und lukrativ. Mehr als 250 000 Ausländer
reisen jährlich an, um sich behandeln zu lassen. «Das beschert dem
deutschen Gesundheitssystem Einnahmen von mehr als 1,2 Milliarden
Euro», sagt Juszczak. Viele Medizintouristen stammen aus früheren
Sowjetrepubliken, vor allem aus Russland. Patienten aus den
Golfstaaten ließen sich früher oft in den USA operieren, etliche
zieht es inzwischen eher nach Deutschland. Experten vermuten dahinter
Ressentiments gegen Muslime in den USA nach den Anschlägen von 2001.

Mittlerweile werde aber die Türkei zunehmend interessant für
arabischsprachige Länder, erklärt Martin Schmidt von der Freiburger
Erich-Lexer-Klinik. «Die Ärzte dort wurden sehr oft in Deutschland
oder den USA ausgebildet und arbeiten auf einem ähnlichen Niveau wie
zumindest Deutsche - und gehören dem Islam an.»

Deutlich weniger Patienten kamen zuletzt aus Russland. «Die
wirtschaftliche und die politische Krise führten zu einem Rückgang
von etwa 30 Prozent», sagt Juszczak. Die Zahlen von Kunden aus dem
arabischen Raum seien ebenfalls rückläufig.

Auslöser seien unter anderem geschrumpftes Kapital für Behandlungen
im Ausland sowie ein Skandal in Stuttgart. Das dortige Klinikum blieb
auf Forderungen von 9,4 Millionen Euro sitzen. Hintergrund sind
Verträge mit Libyen und Kuwait.

Doch wenn der Patient seltener zur Klinik kommt, kommt die Klinik
eben zum Patienten: Baden-Württemberg wirbt etwa auf Fachmessen wie
der «Arab Health» in Dubai. Anfang Februar präsentierten sich dort
die Region Freiburg, der Landkreis Konstanz, die Region Schwarzwald
und die Metropolregion Rhein-Neckar. Sie werben nicht nur mit
Medizin, sondern auch mit schöner Landschaft. Gesundheitstouristen
sollen nach einem Eingriff noch Urlaub machen, lautet der Wunsch.

Mancher Kunde aus den Golfstaaten bestehe darauf, von einem Mann oder
- falls es eine Frau ist - von einer Ärztin untersucht zu werden,
heißt es. Wichtig seien auch Dolmetscher. «Wir haben ein
«International Office», das sich um die Organisation, Betreuung und
Übersetzung kümmert», sagt Paul-Georg Friedrich-Schmieder von den
Kliniken Schmieder in Allensbach am Bodensee.

Er setzt auf den direkten Kontakt, nicht auf Vermittler. Auch Doris
Rübsam-Brodkorb vom Universitätsklinikum Heidelberg betont, dass das
Krankenhaus nur Vermittler mit speziellen Prüfungen akzeptiere und
Provisionszahlungen ablehne. Immer wieder ist zu hören, dass nicht
jeder Vermittler nur das Wohl seines Klienten im Sinn habe.

Dass die Behandlung von Kunden aus dem Ausland zu Nachteilen bei
einheimischen Patienten führt, hält Juszczak für unwahrscheinlich.
«Bei sehr speziellen Therapien kann es einmal zu Wartezeiten kommen,
aber insgesamt ist die Zahl ausländischer Patienten vergleichsweise
sehr gering», sagt der Experte. Ein ähnliches Bild zeichnet zum
Beispiel Heidelberg. 2015 hatte das Klinikum nach eigenen Angaben
1200 stationäre internationale Patienten - das waren 2,1 Prozent.