Umfragehoch der SPD: Interner Druck auf Merkel wächst

Seit der Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten hat die
SPD einen rasanten Aufschwung erlebt. Und die Union damit kalt
erwischt. Wie soll sie damit umgehen? Diese Frage wird nun immer
lauter gestellt - auch an die Adresse von Angela Merkel.

Berlin (dpa) - Angesichts des Umfragehochs der SPD wächst in der
Union der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel, ihrem Herausforderer
Martin Schulz etwas entgegenzusetzen. «Alle, die gesagt haben, es sei
ein Strohfeuer, sind ein Stück widerlegt», sagte Bayerns
Finanzminister Markus Söder (CSU) laut «Süddeutscher Zeitung»
(Montag) am Rande eines Parteitreffens. «Ich glaube, es wird nicht
reichen zu sagen, was man in der Vergangenheit gut gemacht hat.»
Vielmehr sei es wichtig, dass Merkel zusätzliche «Motivationsarbeit
für die Basis» leiste.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte seine Partei
auf, sofort in den Wahlkampf zu starten und Schulz zu stellen. «Wir
müssen seinen Linkskurs und seine Faktenschwäche offenlegen», sagte
der heutige Gesundheitsminister der «Bild»-Zeitung (Montag). «Keine
Ahnung ist schließlich noch keine starke Meinung.» Er widersprach dem
Eindruck, dass es soziale Ungerechtigkeit in Deutschland gebe. «Wenn
man sich in Deutschland und der Welt umsieht, geht es uns wahrlich
gut. Deshalb ist der Kern unseres Wahlkampfs die Verteidigung dieses
Erfolgsmodells.»

Ähnlich hatte sich Merkel am Wochenende auf einem Parteitag ihres
CDU-Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern geäußert. Die Forderung des
SPD-Kanzlerkandidaten nach einer teilweisen Rücknahme der Agenda 2010
wies sie zurück. Im Streit um eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben
stellte die Kanzlerin sich gegen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD).
Auf direkte Attacken gegen die SPD verzichtete sie aber.

In den gut vier Wochen seit der Nominierung von Schulz hat die SPD in
den Umfragen rasant aufgeholt. In der jüngsten Emnid-Erhebung für die
«Bild am Sonntag» erreicht sie 32 Prozent und liegt damit gleichauf
mit der Union. Die AfD kommt auf 9 Prozent, die Linke auf 8, die
Grünen und die FDP jeweils auf 7 Prozent. Damit würde es von den
denkbaren Optionen nur für eine erneute große Koalition reichen.

Aus der CSU kommen inzwischen schärfere Attacken auf Schulz.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) warf dem
SPD-Kanzlerkandidaten in der «Augsburger Allgemeinen» (Montag) vor,
er schade mit seiner Kritik an der Agenda 2010 der wirtschaftlichen
Stimmung im Land. Der Versuch, die Reformen umzudrehen, werde sich
«massiv negativ» auf die Leistungsfähigkeit der deutschen
Volkswirtschaft auswirken. «Wer so agiert, scheint von dem Satz
geleitet: Erst die SPD und dann das Land», sagte Dobrindt.

Schulz will die Arbeitsmarktreformen der früheren rot-grünen
Bundesregierung teilweise zurückdrehen. So sollen ältere Arbeitslose
länger als bisher Arbeitslosengeld I erhalten und Arbeitsverträge nur
noch bei sachlicher Begründung befristet werden dürfen.
SPD-Generalsekretärin Katarina Barley versicherte am Sonntagabend im
ZDF, die Vorschläge seien keine Abkehr von der Agenda 2010, sondern
nur eine Korrektur. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil
(SPD) betonte in der ARD: «Die wichtigsten Säulen dieses Konzepts,
die sind völlig unstrittig.»