Sektorenübergreifende Zusammenarbeit - ein fortwährendes Ärgernis Von Ruppert Mayr, dpa

Eine bessere Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und
Kliniken könnte für Patienten eine bessere Versorgung bringen - und
für das ganze Gesundheitssystem erhebliche Einsparungen.

Berlin (dpa) - Die mangelnde Kooperation von niedergelassenen Ärzten
und Krankenhäusern ist eine Dauerbaustelle. Sie führt zu teuren
Doppelstrukturen bei der Versorgung von Patienten im ambulanten und
stationären Bereich. Eine alternde Gesellschaft mit steigender
Nachfrage nach medizinischen Leistungen kann sich das auf Dauer wohl
nicht leisten, zumal auch die Ressource Arzt begrenzt ist. Die
Krankenhausstrukturreform sollte ein wichtiger Baustein werden für
effizientere Strukturen und eine bessere Zusammenarbeit zwischen
Kassenärzten und Krankenhäusern. Doch auch nach gut einem Jahr bleibt
ihre Wirkung fraglich.

Was will das Krankenhausstrukturgesetz?

Im Prinzip sollen ineffiziente Strukturen bei den rund 2000
Krankenhäuser abgebaut werden. Ein Hebel ist eine schärfere
Qualitätskontrolle. Viele Krankenhäuser bieten Leistungen an, die sie
nur ganz selten erbringen müssen. Ihnen fehlt also die nötige Praxis.
Das Gesetz sieht nun vor, gute Qualität mit Zuschlägen zu vergüten
und schlechte Qualität mit Abschlägen. Krankenhäuser sollen so
angehalten werden, sich auf Leistungen zu konzentrieren, die sie gut
beherrschen. Ineffiziente Abteilungen oder Krankenhäuser sollen
schließen. Um den Abbau nicht benötigter Kapazitäten zu unterstütze
n,
wird ein Strukturfonds geschaffen. In diesen fließen aus dem
Gesundheitsfonds bis zu 500 Millionen Euro. Die Länder sollen
Strukturmaßnahmen in gleichem Volumen gegenfinanzieren.

Wer ist für den Abbau von Überkapazitäten zuständig?

Die Länder sind für die Krankenhausplanung zuständig. Im Grunde
müssten sie entscheiden, welche Abteilungen oder Häuser zumachen
müssen. Doch das ist nicht einfach. Auch wenn ein Krankenhaus
schlecht bewertet wird, befürchten Politiker Widerstand in der
Bevölkerung, wenn es dann tatsächlich geschlossen werden soll.

Wie viel Krankenhäuser sollten abgebaut werden?

Die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) meint, 1500
Krankenhäuser reichten aus. Einige Wissenschaftler plädieren - nach
dänischem Vorbild - radikal ökonomisch für eine Reduzierung auf 330
Zentralkliniken. Das dürfte wohl kaum auf deutsche Verhältnisse
übertragbar sein. Letztlich lässt sich eine exakte Zahl nicht nennen.
Denn manche Krankenhäuser, die unter den Effizienzgedanken eigentlich
geschlossen werden müssten, müssen auf dem Land eine stationäre
Versorgung sicherstellen. Deutsche Krankenhausgesellschaft und
Bundesärztekammer sehen kaum Möglichkeiten, Häuser abzubauen.

Wer kritisiert das Gesetz?

Unter anderem der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV),
Andreas Gassen. Er sagte der dpa, bevor überhaupt an eine bessere
sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten
und Krankenhäusern zu denken sei, müsse zunächst «der Wildwuchs in

der Kliniklandschaft deutlich bereinigt» werden. «Es gibt nichts
Teureres als Versorgung im Krankenhaus, sowohl stationär als auch
ambulant.» Viele Kliniken versuchten über ihre Notaufnahme, ihre
Betten zu belegen. Die Krankenkassen sagen, das Gesetz sei teuer und
belaste vor allem die Beitragszahler, ohne dass die Kassen Einfluss
auf die Krankenhausplanung bekämen.

Wie kann eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit aussehen?

Gassen hält es für denkbar, in einer Region, die kein Krankenhaus
mehr brauche, das Belegarztwesen bundesweit neu aufzustellen. Ein
Belegarzt ist ein niedergelassener Arzt, der in einem Krankenhaus
einige Betten, sogenannten Belegbetten, für seine Patienten
reservieren darf. Typische Belegärzte sind Mund- und Kieferchirurgen,
Urologen oder Gynäkologen.

Wie funktioniert das?

Solche Versorgungsstrukturen könnten in einem bisherigen Krankenhaus
entstehen, indem man eine kleinere Zahl von Betten, eine Art
Minimalstation erhält, argumentiert Gassen. Hier könnten dann
niedergelassene Haus- und Fachärzte zusammen mit ehemaligen
angestellten Krankenhausärzten Patienten unterbringen, die nach einer
Behandlung ein, zwei Tage auf Station bleiben müssten.

Wo ist noch eine bessere Kooperation möglich?

Beim Notdienst. Die Notaufnahmen in vielen Kliniken sind völlig
überlastet. Denn viele Patienten sehen hier die erste Anlaufstelle.
Das Krankenhausstrukturgesetz versucht eine Entzerrung der Situation,
indem die Kassenärzte ihre Notdienstpraxen, sogenannte Portalpraxen,
direkt in oder an Krankenhäusern als erste Anlaufstelle einrichten
oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in ihren
Notdienst einbinden sollen. Hier soll dann entschieden werden, ob ein
Notfall von einem Niedergelassenen behandelt werden kann oder ins
Krankenhaus muss.

Kann durch bessere Kooperation der Sektoren gespart werden?

Die erhofften Ersparnisse bei Abbau der Krankenhäuser würden wohl
nicht eins zu eins den Krankenkassen zukommen, sagt Gassen. Ein Teil
müsste wohl in die anderen Kliniken mit Maximalversorgung fließen.
Und ein Teil werde der vertragsärztlichen Versorgung zugute kommen.