Teurere Medizin - stabile Beiträge: Geht das immer so weiter? Von Basil Wegener, dpa

Die Konjunktur lässt nicht nur die Steuern sprudeln, sondern auch die
Beitragseinnahmen der Sozialkassen. Für Krankenversicherte bedeutet
das: Stabile Beiträge trotz teurerer Medizin. Spielen auch die
nahenden Wahlen eine Rolle?

Berlin (dpa) - Kräftiges Plus statt bedrohliches Minus - die
Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen ist deutlich besser als
noch vor Monaten vorhergesagt. Nach Informationen der Deutschen
Presse-Agentur haben sie im vergangenen Jahr rund 1,4 Milliarden Euro
mehr eingenommen als ausgegeben. Die Beitragszahler kann das freuen.
Ein Überblick:

Wie steht die gesetzliche Krankenversicherung derzeit da?

Die 113 einzelnen Krankenkassen haben ihr Geldpolster zum Ende
vergangenen Jahres um 1,4 auf 15,9 Milliarden Euro aufstocken können.
2015 hatten die Krankenkassen noch ein Defizit von gut 1,1 Milliarden
Euro eingefahren. Dazu kommt der Gesundheitsfonds, die Geldsammel-
und Verteilstelle der Krankenversicherung. 2015 hatte er 10
Milliarden Euro auf der hohen Kante, in dieser Größenordnung dürften

seine Reserven weiter liegen. Exakten Zahlen zu Kassen und Fonds
veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium Anfang März.

Was bedeutet das für die Beitragszahler?

Entwarnung. Noch im Juli hatte der Kassen-Spitzenverband für 2017
einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um bis zu 0,3
Punkte auf dann rund 1,4 Prozent vom Einkommen vorausgesagt. Bei 2000
Euro brutto im Monat wären das 6 Euro zusätzlich. 2019 werde der
Zusatzbeitrag dann wohl im Schnitt bei 1,8 Prozent liegen, hieß es.
Als Grund nannten die Kassen ein über dem Einnahmeplus liegendes
Ausgabenwachstum - auch wegen Reformen von Gesundheitsminister
Hermann Gröhe (CDU) zugunsten von Ärzten und Kliniken.

Was sind Zusatzbeiträge?

Den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent teilen sich die
Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Den Zusatzbeitrag dagegen müssen die
rund 55 Millionen Mitglieder der Krankenkassen - nicht die
beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kinder - alleine bezahlen.
Er variiert von Kasse zu Kasse und liegt derzeit im Schnitt bei knapp
1,1 Prozent. Der Wettbewerb zwischen den Kassen sollte durch den
Zusatzbeitrag angekurbelt werden, können sie ihn doch jeweils selbst
festsetzen. Und die Wirtschaft wird entlastet.

Warum ist die Lage deutlich besser als die Kassen prognostizierten?

Die Wirtschaft in Deutschland brummt, es gibt Rekordbeschäftigung und
gestiegene Löhne. Das kommt nicht nur der Krankenversicherung zugute.
Milliarden wurden auch in die Staatskassen gespült - Ergebnis: der
höchste Überschuss seit der Wiedervereinigung. 2016 nahmen Bund,
Länder, Gemeinden und Sozialkassen 23,7 Milliarden Euro mehr ein, als
sie ausgaben.

Was hat die Kassen finanziell zuletzt belastet?

Die Ausgaben für Kliniken, Medikamente und Ärzte steigen mit dem
Älterwerden der Gesellschaft und dem medizinischen Fortschritt jedes
Jahr. In den ersten drei Quartalen 2016 waren die Ausgaben um 3,2
Prozent auf 166,1 Milliarden Euro gewachsen. Gröhe hat zudem Gesetze
auf den Weg gebracht, durch die sich die Kostenschraube noch etwas
schneller dreht: etwa eine Krankenhausreform, Anreize für eine
Stärkung der Hausarzt-Versorgung, ein Regelwerk zur Stärkung der
Gesundheitsvorsorge und eines für eine bessere Hospiz- und
Palliativversorgung.

Haben die guten Nachrichten mit dem Bundestagswahljahr zu tun?

Zunächst nicht, sondern vor allem mit der guten Konjunktur.
Allerdings beschert die Regierung den Kassen 2017 eine
außerplanmäßige Zuweisung von 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des

Gesundheitsfonds. Dies hat bereits dazu beigetragen, dass die
offizielle Schätzung für den diesjährigen Zusatzbeitrag im
vergangenen Oktober Stabilität versprach. Die Sonderzuweisung dürfte
auch die Lage für 2018 entspannen. Dass die Kassen den
Kassenmitgliedern bereits dann auf breiter Front über höhere
Zusatzbeiträge tiefer in die Tasche greifen, gilt unter Experten als
unwahrscheinlich. Klarheit über die Entwicklung im kommenden Jahr
gibt es aber erst ab Herbst.

Mehr Ausgaben, trotzdem stabile Beiträge - geht das so weiter?

Zunächst ist die Lage stabil. Eine Sprecherin Gröhes wirft den Kassen
Unkenrufe vor, die sich nicht bewahrheitet hätten: Die Kassen hätten
weiter Spielräume für gute Leistungen und geringe Zusatzbeiträge. Die

Kassen aber weisen auf Risiken hin. Die Lage jetzt - besser als
erwartet - sei zwar erfreulich. Doch, so Verbandssprecher Florian
Lanz, es sei wichtig, nun die Ausgaben anzugehen. «Wir brauchen
beispielsweise Strukturveränderungen bei den Kliniken und bessere
Preise für Medikamente, denn sonst bekommen wir spätestens bei der
nächsten Konjunkturdelle massiven Druck auf die
Krankenkassenbeiträge.»