Fall für zwei: Budapest-Absage verschärft olympische Vertrauenskrise Von Christian Hollmann, dpa

Das Rennen um die Olympischen Spiele 2024 wird zu einem Fall für
zwei. Budapest verzichtet schon als vierter Anwärter auf seine
Bewerbung. In der Not könnte das IOC neue Wege bei der
Olympia-Vergabe gehen.

Lausanne (dpa) - Nach der plötzlichen Abfuhr aus Budapest wird die
olympische Vertrauenskrise für Thomas Bach und sein IOC immer mehr
zum Dauerproblem. Das bis auf Paris und Los Angeles geschmolzene
Bewerberfeld für die Sommerspiele 2024 dokumentiert einmal mehr die
Not des Internationalen Olympischen Komitees, Bürger-Mehrheiten in
westlichen Demokratien für das milliardenteure Spektakel zu gewinnen.
Dabei wollte IOC-Chef Bach mit seiner Agenda 2020 doch die
Gastgeber-Rolle bei Olympia wieder attraktiver machen.

Von diesem Ziel scheint Bach noch weit entfernt. Für 2024 hatten
schon Hamburg, Boston und Rom dem IOC eine Absage erteilt. Nun folgt
Budapest, nachdem eine neue Bürger-Bewegung erfolgreich
Unterschriften für die Herbeiführung eines Referendums über die
Olympia-Bewerbung gesammelt hatte. Bach meinte, die «Momentum»-Gruppe
wolle sich mit dem Protest lediglich «einen Namen machen».

Die Ereignisse in Ungarn, dessen NOK sich als Gründungsmitglied der
Olympischen Bewegung bezeichnet, sind dem IOC nur allzu vertraut.
Auch in München, Stockholm, Oslo, Krakau, Wien und zuletzt schon zum
zweiten Mal im Schweizer Kanton Graubünden scheiterten in jüngster
Vergangenheit Olympia-Projekte am Bürgerwillen. «Es gibt keine
Nachhaltigkeit für solche Veranstaltungen», sagte Roms
Bürgermeisterin Virginia Raggi stellvertretend für die Angst vor
explodierenden Kosten und einer jahrelangen Bürde durch das
zweiwöchige Olympia-Gastspiel.

Die jüngsten Bilder aus Rio, wo Sportstätten der Spiele 2016
vergammeln und die mit Olympia überforderte Stadt in eine tiefe
finanzielle Krise gerutscht ist, geben den Kritikern Nahrung. Die
anhaltenden Schlagzeilen um Korruption und Doping im Spitzensport
liefern den Olympia-Gegnern zuverlässig weitere Argumente.

Wie schon bei der Vergabe der Winterspiele 2022 an Peking, als Almaty
der einzige verbliebene Gegenkandidat war, wird nun auch die Kür des
Gastgebers für den Sommer 2024 im September in Lima zu einem Fall für
zwei. Bach will gegensteuern und das aktuelle Bewerberverfahren
ändern, «weil es einfach zu viele Verlierer hervorbringt».

Seit Wochen läuft sogar eine Debatte darüber, ob das IOC in Lima
nicht auf einen Streich die Spiele für 2024 und 2028 vergeben sollte.
Paris und Los Angeles könnten dann beide als Gewinner die Heimreise
antreten. Einiges spricht dafür, auch wenn zunächst die Olympische
Charta geändert werden müsste und der Fußball-Weltverband FIFA mit
der Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland
und Katar ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Andererseits würde Paris nach mehreren vergeblichen Anläufen wohl
kaum eine weitere Niederlage akzeptieren. Für Los Angeles spricht der
Milliarden-Deal des IOC mit dem US-Sender NBC und die «vehemente
Unterstützung» der Bewerbung durch Präsident Donald Trump, der als
schlechter Verlierer bekannt ist.

Der Fall Trump allerdings ist für das IOC schon das nächste Problem.

Das Einreiseverbot für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen
Ländern sorgte im Januar auch in der Sportwelt für Entsetzen und
Zweifel an den Chancen der Bewerbung von Los Angeles. «Wer 2024 das
weltgrößte Sportfest in seinem Land haben möchte, bereitet dem
Projekt einen Bärendienst mit so einem Beschluss», sagte Alfons
Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Das IOC dagegen enthielt sich eines kritischen Kommentars. Für die
Olympier ist es derzeit schwer genug, willige Bewerber für seine
teure Show im Zeichen der fünf Ringe zu finden.