Schnaps, das war sein letztes Wort: Mythen und Fakten zu Alkohol Interview: Ulrike von Leszczynski, dpa

Bier auf Wein, das lass' sein. Was ist dran an den Volksweisheiten
über Alkoholgenuss? Ein paar Nachfragen zur Karnevalszeit.

Berlin (dpa) - Im Karneval herrscht Narrenfreiheit - oft auch beim
Alkohol. Der Psychiater und Suchtexperte Darius Chahmoradi Tabatabai
will keine Spaßbremse sein. «Es wäre verkehrt, den kontrollierten
Rausch, den wir uns zu Karneval genehmigen, generell zu
moralisieren», sagt der Chefarzt am Vivantes
Auguste-Viktoria-Klinikum in Berlin. Doch andererseits dürften
Risiken nicht verharmlost werden. Und längst nicht jede Volksweisheit
ist wahr.

Frage: Bier auf Wein, das lass' sein - ist da was dran?

Antwort: Was man zuerst trinkt, spielt überhaupt keine Rolle. Es geht
immer um die Menge. Wein reizt den Magen mehr durch die höhere
Alkoholkonzentration. Von Schnaps ganz zu schweigen. Und die
Kombination aus allem kann Übelkeit beschleunigen.

Frage: Wie viele Gläser Wein, Bier oder Schnaps muss ein Erwachsener
trinken, um sich auszuhebeln?

Antwort: Die Verträglichkeit ist sehr individuell. Das liegt an den
Genen. Die Leber und Enzymsysteme spielen dabei eine große Rolle. Es
gibt Menschen, die nach zwei Gläsern Wein richtig einen im Tee haben.
Andere merken da subjektiv noch gar nichts. Viele sind aber
überrascht, wie niedrig risikoarme Mengen angesetzt sind. Bei Frauen
ist das ein Glas Weißwein, bei Männern sind es zwei - bei mindestens
zwei alkoholfreien Tagen in der Woche.

Frage: Im Rheinland heißen Babys, die exakt neun Monate nach dem
närrischen Ausnahmezustand geboren werden, scherzhaft
Karnevalskinder. Sind sie gefährdeter, wenn sie von einem stark
betrunkenen Paar gezeugt wurden?

Antwort: Ja, da ist die Studienlage recht klar. Das Risiko für
Fehlgeburten und Schädigungen dieser Kinder ist erhöht. Auch während

der Schwangerschaft erhöhen bereits geringe Mengen von Alkohol
Fehlbildungsrisiken. Deshalb sollten auch Schwangere im Karneval
keine Ausnahme machen.

Frage: Der totale Absturz - wie viele Gehirnzellen kostet das?

Antwort: Es gibt keine Formel, auch das ist sehr individuell. Alkohol
ist letztlich ein Nervengift, das einzelne Zellen negativ
beeinflussen kann. Bis hin zur Zerstörung. Es ist ebenfalls genetisch
bedingt, wie viele nervenschützende Faktoren ein Mensch hat. Es
spielt auch eine Rolle, ob Erkrankungen angelegt sind. Wer zum
Beispiel familiär belastet ist, später eine Demenz zu entwickeln, für

den können wiederholte Alkoholexzesse mehr ins Gewicht fallen als für
andere. Ein Vollrausch ist trotzdem immer eine arge Belastung für das
Gehirn.

Frage: Was passiert dann genau da im Oberstübchen?

Antwort: Im Grunde ist das wie eine Narkose. Auch häufige Operationen
sind ja nicht günstig, weil jede Narkose Stress für das Gehirn
darstellt. Der Rausch an Karneval hat eine gesellschaftliche
Akzeptanz. Wenn Menschen es schaffen, danach wieder zum Tagesalltag
zurückzufinden, ist ein einzelner Rausch in der Summe des Lebens
sicher nicht gefährlich. Doch da hängt ja noch mehr dran.

Frage: Was?

Antwort: Viele Menschen machen sich die Risiken des Kontrollverlusts
nicht klar. Da geht es nicht nur um gestohlene Brieftaschen. Es geht
um Verkehrsunfälle. Und auch der Anteil schwerer Körperverletzungen
unter Alkoholeinfluss ist erschreckend hoch. Da geht es nicht allein
um Schlägereien, auch Vergewaltigungen kommen vor. Es gibt auch
Alkoholvergiftungen, die tödlich enden. Nicht nur bei Teenagern, die
bei diesem Thema unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen. Auch
Erwachsene verschätzen sich. Wir leben in einer Gesellschaft, die
nicht mehr reinweg Alkohol konsumiert. Die Schwelle zu illegalen
Drogen ist dabei zu sinken. Die Mischung mit Alkohol potenziert die
Wirkung und kann zum Beispiel zur Atemlähmung führen.

Frage: Ist der Kater am Morgen danach bereits ein Anzeichen einer
kleinen Alkoholvergiftung?

Antwort: Im Grunde ja. Das ist eine Warnung des Körpers: Mach das
bitte nicht mehr, das vertrag ich nicht. Dieses Katergefühl wird
durch Abbauprodukte des Alkohols hervorgerufen. Man fühlt sich krank
- Übelkeit, Mattigkeit, Kopfschmerzen. Die Enzyme, die
Zwischenprodukte abbauen, sind wiederum sehr individuell ausgeprägt.
Es gibt Menschen, die kriegen einfach keinen Kater. Statistisch
gesehen haben sie ein höheres Risiko, Probleme mit Alkohol zu
bekommen, weil ihnen eine natürliche Bremse fehlt.