Agenda 2010 - Inhalt, Wirkung, Reformforderungen Von Basil Wegener, dpa

Berlin (dpa) - Die Agenda 2010 mit der Einführung von Hartz IV als
zentrales Projekt gilt als die wohl größte und umstrittenste Reform
des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD).
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will nun Hand an die Agenda 2010
legen. Ein Überblick über Motiv, Wirkungen, bisherige Änderungen und

Reformperspektiven:

MOTIV: Die Agenda 2010 sollte die Sozialsysteme sanieren,
Lohnnebenkosten senken, den Arbeitsmarkt flexibler machen und die
Staatsfinanzen konsolidieren. Schröder gab den Startschuss mit einer
Regierungserklärung am 14. März 2003 - er sagte: «Wir werden die
Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr
Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.»

KERNINHALTE: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wurde gekürzt,
die Unterstützung für Langzeitarbeitslose auf das Niveau der
Sozialhilfe gesenkt. Dazu wurden Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum
neuen Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zusammengelegt. In den
Jobcentern wurden kommunale Sozialhilfe und staatliche
Arbeitslosenvermittlung verzahnt. Im Gesundheitswesen wurden die
Krankenkassen durch Ausklammerung von Leistungen entlastet. Eingriffe
gab es zur Stabilisierung der Rentenfinanzen, das Rentenniveau sank.

WIRKUNGEN: Welchen Anteil die Agenda 2010 am wirtschaftlichen Erfolg
Deutschlands hat, ist unter Wissenschaftlern umstritten. Auch über
ihren Anteil am Rückgang der Arbeitslosigkeit seither gehen die
Meinungen auseinander, weniger hingegen am Abbau speziell der
Langzeitarbeitslosigkeit. Für Erwerbslose stieg der Druck, gering
bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Arbeitslose sind bei angebotenen
Jobs aus Sorge vor Abrutschen oder Verbleib in Hartz IV weniger
wählerisch. Der Niedriglohnsektor wuchs. Erwerbsfähige
Sozialhilfeempfänger wurden unter dem Motto «Fördern und Fordern» i
n
die Jobvermittlung einbezogen.

KORREKTUREN: Für Ältere wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes
I (ALG I) bereits vor Jahren wieder verlängert. Je nach Dauer der
Beschäftigung und Alter gibt es 15, 18 oder 24 Monate ALG I. Für
Jüngere gibt es nach mindestens 24 Monaten Beschäftigung 12 Monate
ALG I. Für die Bezieher von Hartz IV wurden die
Hinzuverdienstmöglichkeiten nachgebessert, auch das Schonvermögen aus
angesparter Altersvorsorge.

REFORMFORDERUNGEN: Schulz will den ALG-I-Bezug nun für Ältere
verlängern. Allerdings schöpfen bei weitem nicht alle Älteren die
maximale Bezugsdauer aus. So sind rund 303 000 ALG-I-Bezieher über 50
Jahre alt, im Schnitt bekommen sie 191 Tage ALG I, bei den
Ab-55-Jährigen liegt die Bezugsdauer bei im Schnitt 218 Tagen. Im
Wahlkampf dürften die Agenda 2010, Hartz IV und Rente eine Rolle
spielen. Die Linken wollen Hartz IV ganz abschaffen.