Deutschland hängt immer noch am traditionellen Familienbild Von Thomas Lanig, dpa

Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf: Im Vergleich mit anderen
Ländern steht Deutschland schlecht da. Frauen arbeiten weniger als
Männer und werden schlechter bezahlt.

Berlin (dpa) - Der Vater verdient das Geld, die Mutter kümmert sich
ums Kind: Was sich anhört wie ein altmodisches und längst überholtes

Familienbild, ist hierzulande noch nicht Vergangenheit. «Das Modell
des männlichen Allein- bzw. Hauptverdieners ist in Deutschland
weiterhin vorherrschend», stellt die OECD-Studie «Dare to Share»
fest. Allerdings: Es gibt auch große Fortschritte bei der
partnerschaftlichen Aufteilung.

Was sagen die Zahlen?

Zwar sind in Deutschland 70 Prozent der Mütter erwerbstätig, aber nur
30 Prozent arbeiten Vollzeit. Und mit rund 20 Stunden ist die
Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten relativ kurz. Die Konsequenz:
Bei Paaren mit mindestes einem Kind steuern die Frauen nur 22,6
Prozent zum Familieneinkommen bei. Das ist der schlechteste Wert von
15 ausgewählten Ländern.

Warum läuft das in anderen Ländern besser?

Entscheidend sind Betreuungsangebote für Kinder. Mütter fühlen sich
vor allem durch starre Öffnungszeiten von Schulen, Kindergärten und
Kitas gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Im Gegenzug müssen
sie den größten Teil der unbezahlten Hausarbeit erledigen. In der
OECD-Studie heißt es: «In Ländern, in denen Frauen in größerem Um
fang
arbeiten und es eine gut ausgebaute und qualitativ hochwertige
Kinderbetreuung wie etwa in Finnland oder Norwegen gibt, teilen
Eltern unbezahlte Arbeit ausgewogener auf.»

Was ist mit dem Begriff «Teilzeitfalle» gemeint?

Dahinter steckt die weit verbreitete Erfahrung, dass Frauen zunächst
zeitweise ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, um sich um ihre kleinen
Kinder zu kümmern. Später gelingt ihnen aber nicht mehr der Sprung
zurück in einen Vollzeitjob. Ein Rückkehrrecht, wie es viele fordern,
gibt es nicht. Allerdings hat Arbeitsministerin Andrea Nahles zum
Jahresbeginn einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Befristung von
Teilzeitverträgen vorsieht. Es sind aber eine Reihe von
Einschränkungen geplant, und die Union befürchtet zu viel Bürokratie.


Wie steht es mit den Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland?

Das unterschiedliche Frauenbild in Ost und West spiegelt sich immer
noch in den Umfragen, aber die Differenzen schwinden. In
Westdeutschland waren 2012 etwa 20 Prozent der Auffassung, Mütter mit
einem noch nicht schulpflichtigen Kind sollten überhaupt nicht
arbeiten. 2002 waren es noch 50 Prozent. In den neuen Bundesländern
ist diese Zahl von 17 Prozent 2002 auf unter zehn Prozent 2012
gesunken.

Wie unterschiedlich ist die Bezahlung zwischen Männern und Frauen?

Nach offiziellen Angaben beträgt die Lohnlücke in Deutschland 21
Prozent. Der größte Teil davon ist darauf zurückzuführen, dass Frau
en
entweder in Teilzeit oder in schlechter bezahlten Branchen, etwa in
Pflegeberufen arbeiten. Rechnet man das heraus, beträgt der
Unterschied noch 7 Prozent.

Wie soll das Lohngefälle geändert werden?

Familienministerin Manuela Schwesig will zunächst mehr Transparenz
schaffen. Frauen sollen Anspruch auf Auskunft darüber haben, wie viel
andere Gruppen von Beschäftigten in ihrem Unternehmen verdienen. Das
soll aber nur in Betrieben ab 200 Beschäftigten gelten. Um den
Konflikt zwischen Familie und Beruf weiter zu entschärfen, verfolgt
Schwesig das Konzept der «Familienarbeitszeit». Wenn Eltern, also
Väter und Mütter, ihre Arbeitszeit auf 28 bis 36 Stunden reduzieren,
können sie bis zu 300 Euro aus der Staatskasse bekommen.