Auf der Suche nach dem «perfekten Mund»

Schon Leonardo da Vinci rühmte den Goldenen Schnitt bei Bildern -
jetzt definieren Schönheitschirurgen den idealen Mund. Doch es gibt
Kritik daran.

Irvine (dpa) - Gibt es eine Formel für den ästhetisch «perfekten»
Mund? US-Forscher haben sie nach eigenen Angaben zumindest für weiße
Frauen gefunden. Sie zeigten rund 580 Probanden verschiedene
Frauenporträts mit Computer-veränderten Lippenformen und ließen sie
dann die attraktivsten Gesichter auswählen.

Das Ergebnis beschreibt das Chirurgenteam um Natalie Popenko von der
University of California (Irvine) im Fachjournal «Jama Facial Plastic
Surgery»: Gesichter mit Mündern, deren Unterlippe doppelt so groß ist

wie die Oberlippe, werden als besonders schön empfunden. Zugleich ist
der ideal aussehende Mund demnach etwa um die Hälfte größer als der
im Originalgesicht und nimmt von der Fläche her knapp zehn Prozent
des unteren Gesichtsdrittels ein.

Ihrer mehrstufigen Arbeit legten die Mediziner 20 Originalbilder von
weißen Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren zugrunde. In die
Gesichter wurden deren Münder dann in fünf verschiedenen Größen
projiziert - deutlich verkleinert bis hin 250 Prozent vergrößert.
Nach der Bewertung dieser 100 Fotos testeten sie in einer zweiten
Runde bei den beliebtesten 15 Gesichtern je vier Variationen des
Verhältnisses von Ober- zu Unterlippe. Abschließend wurden bei den
Favoriten die Größe der Münder ins Verhältnis zum unteren
Gesichtsdrittel gesetzt und berechnet.

Diese Methode erlaube, mit Blick auf insgesamt harmonische
Gesichtsproportionen die attraktivsten Lippen zu bestimmen, schreiben
die Forscher. «Die Lippendimensionen und -verhältnisse in dieser
Studie könnten als Richtlinie dienen.»

Die Schönheitschirurgin Catherine Winslow (Indiana University) zieht
in einem Kommentar drei Schlüsse aus der Arbeit. «Erstens, es gibt so
etwas wie ein «Zuviel», wenn es um Lippenfüller geht. Zweitens,
Proportionen und Lippenverhältnis müssen berücksichtigt werden.
Drittens, es gilt die Balance der Lippenregion zu erhalten.»

Deutsche Experten sind uneins über den Nutzen der Studie. «Eine
mathematische Berechnung von Schönheit ist schwierig», sagt Prof.
Vincenzo Penna (Uniklinik Freiburg), Mitglied der Deutschen
Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen
Chirurgen (DGPRÄC). Dennoch sei eine solche Herangehensweise an die
Frage «Was ist schön?» wissenschaftlich interessant. «Weil dadurch

die qualitative Beschreibung von Ästhetik durch eine quantitative
Dimension ergänzt wird.» Dies könne im Beratungsgespräch mit
Patientinnen hilfreich sein.

Prof. Dennis von Heimburg, Präsident der Vereinigung der Deutschen
Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), hält die Ergebnisse für
wenig hilfreich - auch, weil die zur Auswahl stehenden Porträts zum
Teil sehr unecht aussähen. Zum anderen sei das als attraktiv
empfundene Lippenvolumen bereits bekannt. «Der Plastische Chirurg
muss die gewünschte Lippenform und die Verteilung des Volumens am
Gesicht orientiert ausarbeiten.» Auch der Zahnstand der Patientin sei
da wichtig. Werde der nicht berücksichtigt, könnten Oberlippen
schnell «aufgepumpt» aussehen.