Krise in der Mongolei: Tierseuche tötet gefährdete Saiga-Antilopen Von Andreas Landwehr, dpa

Ein Virus könnte die seltene Mongolische Saiga-Antilope ausrotten.
Die Tiere mit der Rüsselnase sterben innerhalb weniger Tage nach den
ersten Symptomen. Auch die Viehzucht der Mongolei ist in Gefahr.

Ulan Bator (dpa) - Eine gefährliche Seuche bedroht die ohnehin stark
gefährdete Mongolische Saiga-Antilope. Experten schlagen Alarm, dass
die seltene Unterart in der Region aussterben könnte - mit schweren
Folgen für das Ökosystem des mongolischen Graslandes. Rund 40 Prozent
der 10 000 der im Westen des Landes noch lebenden Saigas sind diesen
Winter bereits verendet. Tausende mehr könnten dem Virus in den
nächsten Wochen noch zum Opfer fallen. Es ist der erste bekannte
Ausbruch der sogenannten Pest der kleinen Wiederkäuer
(Pseudorinderpest, PPR) unter den Antilopen.

Bis zu 90 Prozent der infizierten Tiere sterben an der Krankheit, die
eng verwandt mit der Rinderpest ist. «Die hohe Sterblichkeit deutet
darauf hin, dass die Saigas sehr empfindlich auf die Krankheit
reagieren», berichtet Amanda Fine, Tierärztin der Wildlife
Conservation Society. «Die Infektion löst eine virale
Lungenentzündung aus.» Außer den Atemwegen sei der Magen-Darm-Trakt
betroffen. «Die Tiere sterben wenige Tage nach den ersten klinischen
Zeichen durch Dehydrierung und Schwäche durch die Krankheit.»

Die Tierseuche war im September erstmals in der Mongolei unter Ziegen
und Schafen ausgebrochen. Vermutlich hatten Tiere aus China das Virus
eingeschleppt. «Die Saigas und das heimische Vieh grasen auf den
gleichen Weiden», erklärt die Veterinärin den Ausbruch. So hätten d
ie
Antilopen das Virus aufgenommen. Besonders in der Paarungszeit im
Winter stünden die Saigas in großen Gruppen zusammen, so dass sich
das Virus durch den engen Kontakt schnell verbreiten könne.

Wegen ihrer in der traditionellen chinesischen Medizin beliebten
Hörner sind die Tiere ohnehin schon durch Wilderei bedroht. Auch
konkurriert die Antilope mit der charakteristischen rüsselartigen
Nase mit anderen Tieren um Weideland und Nahrung. «Die zusätzlichen
Auswirkungen durch eine Krankheit wie diese Seuche, die die
Population um 90 Prozent verringern könnte, bedeuten ein Risiko, dass
sie aussterben können», warnt Fine.

Verschwinden die Saigas, ist auch das Gleichgewicht des mongolischen
Graslandes bedroht. Wenn ein wesentlicher Pflanzenfresser
verschwinde, verändere sich das Ökosystem, erklärt Professor Richard

Kock vom Londoner Royal Veterinary College, der im Krisenstab der
UN-Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltorganisation für
Tiergesundheit (OIE) gegen die Seuche kämpft. Die Population der
Fleischfresser werde beeinflusst, der Druck auf die Viehbestände und
andere Beutetiere nehme zu.

«Das PPR-Virus ist eine junge Krankheit mit einem hochansteckenden
Virus, für den Saigas unglücklicherweise sehr empfänglich sind», sa
gt
Kock. «Aber das könnte auch daran liegen, dass die Antilopen in
schlechtem Zustand sind, weil ihre Weideflächen durch übermäßige
Viehzucht abnehmen.»

Experten fürchten, dass sich die Krankheit auf andere Wildtiere oder
noch weiter unter den 55 Millionen Stück Vieh ausbreiten könnte, von
denen das Einkommen und Leben vieler Mongolen abhängt. Mit seinen 22
Millionen Ziegen ist das Land der zweitgrößte Produzent von
Kaschmirwolle - und unter anderen Wildtieren sind schon Infektionen
des Sibirischen Steinbocks und der Kropfgazelle entdeckt worden.

«Das Virus verbreitet sich seit einigen Jahren in Asien - trotz
Impfungen, die allerdings auch weitgehend unkoordiniert, sporadisch
und unwirksam waren», berichtet Bouna Diop von der FAO. Er fordert
entschlossenes Handeln, weil sich die Krankheit sonst vom Westen der
Mongolei in den Osten und die Mitte ausbreiten könnte. Die Folgen für
das sozio-ökonomische Gefüge des armen Landes, die
Nahrungsmittelsicherheit und die Artenvielfalt wären «katastrophal».


Um wirksam gegen das Virus anzugehen, müssten die tiermedizinischen
Möglichkeiten auf allen Ebenen in der Mongolei ausgebaut und das
Ausmaß der Krankheit besser erfasst werden, fordert FAO-Experte Diop.
Impfungen müssten je nach Risiko gut koordiniert werden. Auch müsse
die Qualität des Impfstoffes gesichert sein.

Die Krise in der Mongolei ist auch ein Weckruf, die Bemühungen im
Kampf gegen die Pest der kleinen Wiederkäuer auf globaler Ebene zu
verstärken, sagt FAO-Vizegeneraldirektor Ren Wang. «Es müssen mehr
Mittel bereit gestellt werden, um eine weitere Ausbreitung des Virus
in der Mongolei ebenso wie in Kasachstan, Russland und China zu
vermeiden, wo die jüngsten Ausbrüche berichtet wurden.»