Kommt das Außenwerbeverbot für Tabak noch vor der Wahl? Von Ruppert Mayr, dpa

Die Drogenbeauftragte Mortler kann durchaus Erfolge im Kampf gegen
das Rauchen vorweisen, etwa sinkende Raucherzahlen. Doch das reicht
ihr und ihrem Parteifreund, Ernährungsminister Schmidt noch nicht.

Berlin (dpa) - Marlene Mortler läuft die Zeit davon. Seit langem
kämpft die Drogenbeauftragte der Bundesregierung um ein
Außenwerbeverbot für Tabakwaren. In den nächsten Wochen müsste der
im
vergangenen Frühjahr vom Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf im
Bundestag aufgerufen werden, wenn es in dieser Legislaturperiode noch
klappen soll. Doch der Widerstand in der eigenen Unionsfraktion und
in Teilen der SPD ist ungebrochen.

Wie argumentieren Gegner eines Werbeverbotes?

Die Diskussion in der Unions-Fraktion läuft noch. Doch Fraktionschef
Volker Kauder (CDU) verweist recht energisch auf Kritiker in den
eigenen Reihen hin, denen es gegen den Strich gehe, dass der
Regierungsentwurf ein fast vollständiges Werbeverbot für ein immerhin
noch legales Produkt vorsehe. Wer diesen Weg gehe, werde künftig auch
bei anderen Produkten wie Alkohol oder Zucker über Werbeverbote
nachdenken müssen. Im übrigen verlange das Tabakrahmenübereinkommen
der Weltgesundheitsorganisation keineswegs ein Verbot der Außen- und
Kinowerbung. Und außerdem liege heute die Raucherquote bei
Jugendlichen auf dem niedrigsten Stand seit 1970.

Was halten die Befürworter dagegen?

Die Drogenbeauftragte geht von jährlich mehr als 120 000 Tabaktoten
aus. Darüber hinaus sterben an den Folgen des Passivrauchens jedes
Jahr mehr als 3300 Nichtraucher. Rauchen verkürzt das Leben um
durchschnittlich 10 Jahre. Die Belastungen für die deutsche
Volkswirtschaft durch das Rauchen belaufen sich auf fast 80
Milliarden Euro im Jahr. Im übrigen dürften verschreibungspflichtige
Arzneimittel ebenfalls nicht beworben werden und auch Freie Berufe
wie Ärzte oder Rechtsanwälte unterlägen einem Werbeverbot.

Wirkt Tabakwerbung überhaupt noch?

Ja, meinen Mortler, der federführende Ernährungsminister Christian
Schmidt (CSU) und auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) in
einem gemeinsamen Schreiben an die CDU/CSU-Fraktion von Anfang
November 2016. Sonst würde die Tabakwirtschaft nicht mehr als 200
Millionen Euro in die Werbung stecken. Speziell mit Blick auf Kinder
sagt Mortler, in Schulen werde mit Millionen Prävention gegen das
Rauchen gemacht, und auf dem Nachhauseweg strahle den Schülern
womöglich der Marlboro-Mann entgegen nach dem Motto: Freiheit und
Abenteuer mit einem Glimmstengel im Mund. In der Tat ließ sich bei
Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren nachweisen, dass
sich das Risiko des Rauchens deutlich erhöht, wenn sie entsprechend
beworben werden. Und «wie schwer man wieder davon loskommt, dürfte
jeder, der, so wie ich, einmal geraucht hat, sehr genau wissen», sagt
Mortler.

Wer stemmt sich noch gegen ein Werbeverbot?

Kommunen und Werbewirtschaft. Der Fachverband Außenwerbung geht davon
aus, dass durch eine Ausweitung des Werbeverbots insbesondere die
mittelständischen Unternehmen der Branche betroffen wären. Geworben
wird unter anderem auch bei kommunalen Verkehrsbetrieben, in
Wartehäuschen oder öffentlichen Toiletten. Die Verluste der Branche
würden also auch auf die Kommunen durchschlagen. Nach Angaben der
Tabakwirtschaft wurden 2015 insgesamt gut 91 Millionen Euro für
Außenwerbung ausgegeben.

Was macht die Tabak-Industrie während des Gezänks?

Sie weitet ihre Werbung wieder aus. Während die gesamten
Werbeausgaben 2012 bis 2014 von 220 Millionen Euro auf 196 Millionen
Euro zurückgingen, legten sie nach dpa-Informationen 2015 wieder auf
fast 232 Millionen Euro zu, so hoch wie in den vergangenen zehn
Jahren nicht. Zudem orientiert sie sich neu und steigt zusehends in
den elektronischen Zigarettenmarkt ein - die jugendliche Klientel
fest im Blick. Und nach einem Bericht der «Hannoverschen Allgemeinen»
von Mitte Dezember beginnen Tabakmultis, sich vorsichtig auf dem
zunehmend liberalisierten Cannabis-Markt umzutun.

Verursachen auch E-Zigaretten Krebs?

Man geht grundsätzlich davon aus, dass E-Zigaretten nicht ganz so
gefährlich sind wie richtige Zigaretten. Allerdings ist die Forschung
hier noch nicht so weit, dass ein belastbares Urteil möglich wäre.
Bei E-Zigaretten verbrennt kein Tabak, stattdessen wird eine Art
nikotinhaltiger Dampf eingeatmet. Hier sehen Experten jedoch
gesundheitliche Gefahren.

Was will das Gesetz eigentlich?

Deutschland ist eines der letzten EU-Länder, in denen Außenwerbung
fürs Rauchen uneingeschränkt erlaubt ist. Die Änderung des
Tabakerzeugnisgesetzes sieht unter anderem ein Verbot der
Außenwerbung von 1. Juli 2020 an vor - mit Ausnahme der
Gebäudeaußenflächen des Fachhandels. Kinowerbung wird nur noch bei
Filmen erlaubt, die ab 18 Jahren frei sind. Und Zigaretten, Tabak zum
Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak dürfen nicht mehr kostenlos
abgegeben werden - etwa beim Sponsoring von Partei-Veranstaltungen.