Gegen «alternative Fakten» - Forscher machen Front gegen Trump Von Andrea Barthélémy und Werner Herpell, dpa

Nach dem riesigen Zulauf beim Frauen-Marsch im Januar sammeln sich
nun Forscher zum Protest gegen die Trump-Regierung. Sie machen Front
gegen eine Beschränkung der US-Wissenschaft. Auch in Deutschland
wächst die Sorge um das weltoffene Klima für die US-Forschung.

Washington/Berlin (dpa) - Ob «alternative Fakten», der Abwehrkampf um
Klimawandel-Daten oder die Streichung von Forschungsgeldern: Es gibt
viele Gründe, weshalb nach den ersten Wochen der rechtskonservativen
Regierung von Donald Trump auch US-Forscher in Aufruhr sind.
Hunderttausende dürfte der Protest am «Welttag der Erde» (22. April)

nach Washington führen, um für die Freiheit der Wissenschaft zu
demonstrieren - unter anderem mit einem «Science-March».

Müssen Wissenschaftler in einer führenden Forschernation tatsächlich

jetzt um ihre Freiheit fürchten? Ja, so weit kann es kommen, meinen
viele in den USA. Und nicht nur dort werden Sorgen laut über einen
womöglich radikal veränderten Kurs der USA bei Forschung und Lehre.

Auch die deutsche Forschungsministerin Johanna Wanka zeigt sich
alarmiert. Zu einem weiterhin starken Standort USA gehöre, «dass
Wissenschaftler frei arbeiten können», sagte sie im Gespräch mit der

Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ihr sei wichtig, «dass die
Arbeitsmöglichkeiten für ausländische Forscher in den USA sich nicht

verschlechtern». Die CDU-Politikerin nimmt die Entwicklungen in
Washington sehr ernst und mahnt: Jede Einschränkung «wäre für den
Erkenntnisfortschritt schlecht».

Die Ängste von Wissenschaftlern und Politikern weltweit sind nicht
unbegründet. Wenige Tage, teils sogar nur Stunden dauerte es, bis die
neue republikanische US-Regierung wissenschaftsfeindliche
Wahlkampf-Ankündigungen umsetzte. Gleich nach Trumps Amtseinführung
verschwanden von der Website des Weißen Hauses Infoseiten zum
Klimawandel - inklusive umfassenden Datenmaterials. Stattdessen
verspricht dort nun Trumps «America First Energy Plan», dass
«schädliche und unnötige Strategien» wie Obamas Klima-Aktionsplan u
nd
umfassende US-Wasserschutzgesetze abgeschafft werden sollten.

Wohl auch deshalb verlangt Ministerin Wanka in Berlin jetzt, dass
«deutsche Interessen auf jeden Fall gewahrt bleiben» müssten bei der

Forschungskooperation mit den USA. So sei «wichtig festzulegen, wer
den Zugriff auf Rohdaten bei Forschungsprojekten hat». Noch wisse
niemand, welche Entscheidungen für den Forschungsbereich Trump noch
fällt. «Wir werden aber sicherlich ein Auge darauf haben, wie künftig

bilaterale Vereinbarungen (...) aussehen sollen», sagt Wanka.

Für Unruhe sorgte in den USA auch eine Ankündigung in Richtung der
mächtigen, bislang strengen Umweltschutzbehörde EPA: Deren 17 000
Mitarbeiter sollen künftig nur nach Rücksprache mit der Regierung
öffentliche Stellungnahmen und Pressemitteilungen abgeben dürfen. Im
Gespräch war auch die Verbannung der Klimawandel-Seiten von der
EPA-Homepage. Darauf werden seit Ende Januar keine neuen Inhalte mehr
gestellt.

Schließlich wandten sich über 350 Ärzteorganisationen mit einem Brief

an Trump, um nach dessen Gespräch mit einem bekannten Impf-Skeptiker
ihre klare Unterstützung für Impfungen auszudrücken. Jüngster
Stachel der Regierung gegen die US-Wissenschaft: der Ende Januar
verfügte Einreisestopp für Menschen aus sieben vorwiegend islamischen
Ländern - auch viele Studenten und Forscher sind davon betroffen.

«Wir registrieren die Unsicherheit, die sich unter Forschern in den
USA entwickelt hat», sagt Ministerin Wanka. Diese Stimmung verspüren
auch deutsche Forschungsorganisationen. So sagt der Präsident der
Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Martin Stratmann, im dpa-Interview,
man wisse nicht mehr genau, welchen Stellenwert die Wissenschaft in
den USA in den kommenden Jahren haben werde. «Es gibt die
Befürchtung, dass es die Grundlagenforschung und bestimmte
thematische Felder wie die Klimaforschung schwerer haben werden.»
Eine weiterhin exzellente US-Wissenschaft lebe aber vom Zuzug junger
Wissenschaftler aus anderen Ländern. «Es wäre schädlich für ihren

Erfolg, würde sie ihre enorme Strahlkraft einbüßen.»

Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) - immerhin eine der
weltweit größten Förderorganisationen für Studierende und
Wissenschaftler - verlangt ebenfalls ein weltoffenes Klima in den
USA. DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel sagt angesichts der sich
abzeichnenden restriktiven Forschungspolitik Trumps, sie sei darüber
«erschrocken, denn man hätte viele seiner Äußerungen gerade aus den

USA nicht für möglich gehalten». Es bleibe dabei, «dass die
amerikanischen Spitzenuniversitäten weiterhin hoch attraktiv für
deutsche Nachwuchswissenschaftler und Studierende sind. Die Offenheit
dieser Institutionen für Talente aus aller Welt ist allerdings
Voraussetzung dafür, dass dies so bleibt.»

«Wir glauben, dass für Wissenschaftler die Zeit vorbei ist, um diesem
Kampf guten Gewissens aus dem Weg zu gehen», sagt eine der
Initiatoren des Science-Protestmarsches im April, Caroline Weinberg.
Man könne eine Politik nicht ignorieren, die die Zukunft der
Wissenschaft bedrohe. Dennoch fragen manche, ob der Protestmarsch das
geeignete Mittel ist. Der Geologe Robert Young mahnt in der «New York
Times», damit trivialisiere und politisiere man Wissenschaft. Besser
sei es, in Kirchen, Schulen und lokale Einrichtungen zu gehen, mit
Menschen zu reden und Vorurteile abzubauen. Viele Menschen würden
keinen Forscher persönlich kennen. Young: «Wir sind Unbekannte, (...)
die schlechte Nachrichten bringen.»