Wenn der Kinderwunsch ins Ausland führt - Umstrittene Messe in Berlin Von Gisela Gross, dpa

Viele Paare sind deutlich über 30, wenn sie Nachwuchs planen. Wenn
der Erfolg ausbleibt, ist die Verzweiflung groß. Eine Messe in Berl
in
soll helfen - mit Angeboten, die in Deutschland illegal sind.

Berlin (dpa) - Wohlgenährte rosa Wonneproppen zieren Webseite und
Plakate der Messe. Ein Baby! Das ist der Herzenswunsch vieler Paare,
bei denen es auf natürlichem Wege mit dem Nachwuchs nicht klappen
will. Betroffene sollen sich an diesem Wochenende schlau machen
können über die Möglichkeiten der Medizin und dann alles richtig
machen auf dem Weg zum eigenen Nachwuchs - das versprechen die ersten
Kinderwunschtage in Berlin. Es ist nach Veranstalter-Angaben die
erste Publikumsmesse zu dem Thema. Doch schon im Vorfeld gab es
Kritik daran.

Denn auf der Messe an diesem Samstag und Sonntag präsentieren sich
zahlreiche ausländische Kliniken, die auch hierzulande illegale
Verfahren im Portfolio haben. Eizellenspenden und Leihmutterschaft
etwa. «Das ist eine Werbeveranstaltung, von der gerade für Patienten
keine sachlichen Informationen zu erwarten sind», sagt der Berliner
Landesvorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte, Matthias
Bloechle, der Deutschen Presse-Agentur. Die Messe sei unnötig.

Dabei gibt es schon länger Anzeichen, dass sich Paare von Verboten
kaum abhalten lassen, wenn sie unbedingt ein Kind wollen. Viel
diskutiert wurde vor zwei Jahren etwa der Fall einer 65-jährigen
Berlinerin, die dank Samen- und Eizellenspenden in der Ukraine
Vierlinge zur Welt brachte und sich von Fernsehkameras begleiten
ließ. Auch der Deutsche Ethikrat will sich im März bei einer
Veranstaltung mit dem «reproduktiven Reisen» und Konsequenzen in
Deutschland beschäftigen.

«Wir haben viele Leute aus dem Ausland, auch aus Deutschland», sagt
Craig Reisser von den US-Fruchtbarkeitszentren Oregon Reproductive
Medicine aus Portland, die sich in Berlin präsentieren wollen. Wie
viele Deutsche direkt oder vermittelt von einer deutschen Klinik zu
Kinderwunschbehandlungen verreisen, wird aber nirgends erfasst. 1000
bis 3000 Paare seien es wohl, schätzt Ulrich Hilland, Vorsitzender
des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands
(BRZ).

In Deutschland stoßen die Kinderwunschtage in eine Lücke: die
zwischen medizinischen Möglichkeiten und Gesetzgebung. Gerade bei der
nach dem Embryonenschutzgesetz verbotenen Eizellenspende fordern
manche Fachleute schon länger eine Lockerung. «Das Verbot ist nicht
mehr zeitgemäß», sagt Hilland. Es sei aber wichtig, Paare gut über

mögliche Risiken aufzuklären und sicherzugehen, dass Kinder eines
Tages die Spenderin ausfindig machen können - anders, als es
im Ausland in der Regel der Fall ist.

Dorthin aber bauen die Kinderwunschtage Paaren nun die Brücke,
ausdrücklich auch Homosexuellen. Nur liquide müssen sie sein. Eine
Eizellenspende im mittleren Preissegment etwa koste in den USA
zwischen 40 000 und 45 000 Dollar (37 000 und 42 000 Euro), inklusi
ve
Behandlung sowie Vergütung für die Spenderin, rechnet Reisser vor.
Günstiger sind Kliniken in Spanien, Polen oder Tschechien. Diese
gelten bei Deutschen bislang als die gängigeren Ziele.

Die Veranstalter wissen um die rechtliche Problematik. Wie deren
Berater, Rechtsanwalt Holger Eberlein, sagte, könnten Ärzte wegen
Beihilfe belangt werden, wenn sie über verbotene Verfahren mehr als
nur informieren würden. Die Messe bemüht sich daher um einen
wissenschaftlichen Charakter und hat einen umfassenden Seminarplan.

«Ich sehe das mit gemischten Gefühlen», sagte Reproduktionsmedizine
r
Hilland. «Infos sollte man weitergeben dürfen» - aber er sieht einen

hohen Grad an Kommerzialisierung, besonders bei den US-Einrichtungen.
«Da ist die Frage, wie weit will man es mit den Hoffnungen von Paaren
treiben?» Der BRZ habe sich angesichts dessen gegen einen Stand bei
den Kinderwunschtagen entschieden.

Veranstalter ist eine Firma aus Großbritannien, die dort seit einigen
Jahren mit «Shows» am Markt ist - Gesundheitsmessen für Produkte und

Leistungen zu Themen wie Allergien oder eben Fruchtbarkeit. Sie will
in einer Zeit, in der Betroffene in der Info-Flut im Internet leicht
die Orientierung verlieren, mit persönlichem Kontakt punkten.

Der Markt hierzulande hat jedenfalls Wachstumspotenzial: Bislang
nutzen die meisten Kinderlosen gar nicht erst
Kinderwunschbehandlungen - und wenn doch, dann spät als Ultima Ratio,
wie es in einer Studie des Bundesfamilienministeriums heißt.

Daten aus dem sogenannten IVF-Register zeigen: Wenn Patientinnen eine
künstliche Befruchtung vornehmen lassen, sind sie inzwischen im
Schnitt 35,2 Jahre alt - etwa 2,5 Jahre älter als Patientinnen 1997.
Die besonders fruchtbare Zeit ist bei Frauen mit Mitte 30 allerdings
schon um Jahre überschritten. Wenn es dann zum Beispiel auch im
Reagenzglas nicht klappt, kann es für eine Adoption im Inland zu spät

sein. Und was bleibt dann - außer aufgeben oder dem Weg ins Ausland?